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Paul Driessen, Eco-Imperialism

Der provokativ anmutende Titel deutet auf einen brisanten Beitrag zu einem brisanten Thema hin. Und Paul Driessen bricht mit diesem Buch in der Tat ein modernes Tabu. Auf der Grundlage einer detaillierten Analyse der Aktivitäten und Motivationen aktivistischer Umweltorganisationen stellt er ihre Rolle als selbsternannte Vertreter der internationalen öffentlichen Meinung und ethische Kontrollinstanz in Sachen […]

Der provokativ anmutende Titel deutet auf einen brisanten Beitrag zu einem brisanten Thema hin. Und Paul Driessen bricht mit diesem Buch in der Tat ein modernes Tabu. Auf der Grundlage einer detaillierten Analyse der Aktivitäten und Motivationen aktivistischer Umweltorganisationen stellt er ihre Rolle als selbsternannte Vertreter der internationalen öffentlichen Meinung und ethische Kontrollinstanz in Sachen Umweltschutz grundlegend in Frage. Er zeigt die faktische Machtstellung auf, die sogenannte Nichtregierungsorganisationen (NGOs) in den letzten Jahrzehnten gewonnen haben. Diese Stellung gründet auf der bedingungslosen Akzeptanz ihrer Rolle als Hüter der öffentlichen Moral. Diese Akzeptanz, so der Autor, ist durch nichts gerechtfertigt: NGOs sind nicht demokratisch legitimiert und unterstehen im Gegensatz beispielsweise zu gewinn-orientierten Unternehmungen keinerlei rechtlichen oder politischen Kontrollen. Dennoch üben sie auf der Grundlage ihrer selbstdeklarierten moralischen Überlegenheit massiven Druck auf Unternehmungen und staatliche Behörden dahingehend aus, ihr Verhalten an einer verzerrten und tendenziösen Auslegung des Vorsorgeprinzips und der auszurichten. Statt die Legitimation der Aktivisten in Frage zu stellen, unternehmen gewisse Firmen enorme Anstrengungen, um die Forderungen zu erfüllen und sich ein «grünes» Image zu verdienen. Nach Driessen führt dies dazu, dass wohlgenährte Aktivisten aus industrialisierten Ländern ihre eigenen übersteigerten Ängste vor imaginären Umweltkatastrophen dazu benützen, armen Bevölkerungen in Drittweltländern wirtschaftlichen Aufschwung, Gesundheit und Wohlstand zu verweigern.

Dieses zentrale Thema durchzieht die Abhandlung wie ein roter Faden. An verschiedenen Beispielen, wie dem Widerstand «grüner» Organisationen gegen die Gewinnung von Wasserenergie mittels Staudämmen, gegen die Nutzung von Erdölvorkommen, gegen genetisch modifizierte Organismen und gegen die Anwendung von DDT zur Bekämpfung von Malaria, zeigt Driessen auf, wie im Namen aktivistischer Postulate Projekte in Entwicklungsländern verhindert wurden, die den Armen dort bessere Lebensbedingungen gebracht hätten. Dabei benützt er ausführliches Zahlenmaterial, Aussagen von politischen Verantwortlichen und Wissenschaftern in Entwicklungsländern sowie bildliche Vergleiche, die die Aussagen besonders eindringlich machen. So legt er etwa dar, dass nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO im südlichen Afrika 3’000 Kinder pro Tag an Malaria sterben – dieselbe Anzahl, wie wenn jeden Tag 80 vollbesetzte Schulbusse über eine Klippe stürzten. Diese «sinnlosen Tode» sind gemäss Driessen zu einem grossen Teil darauf zurückzuführen, dass afrikanische Regierungen unter dem Druck von Umweltaktivisten und von ihnen beeinflussten Geberinstitutionen wie der Weltbank die Anwendung von DDT zur Bekämpfung von Malaria aus Gründen des Umweltschutzes verboten haben.

Am Beispiel der Beeinflussung von Investoren zugunsten von Unternehmen, die die von Umweltaktivisten gesetzten Kriterien erfüllen, durch mit ebendiesen Unternehmen wirtschaftlich verflochtene Berater zeigt der Autor die finanzielle Dimension des Phänomens auf: Es handelt sich bei den beschriebenen «grünen» Organisationen nicht nur um blauäugige Idealisten, sondern oft um Akteure mit handfesten finanziellen Interessen. Der wichtigste Kritikpunkt in diesem wie auch in den andern beschriebenen Bereichen ist die Tatsache, dass Umwelt-NGOs – die gemäss Driessen heute einen Industriezweig mit einem weltweiten Umsatz von jährlich 8 Milliarden US-Dollars darstellen – jenen Verpflichtungen nicht unterstehen, die sie so lautstark für gewinnorientierte Unternehmen fordern: Transparenz, Offenlegung finanzieller Verbindungen und Interessen, Buchführung, und Verbot der wissentlichen Verbreitung falscher Informationen. Hier ist gemäss Driessen anzusetzen. Verantwortungsbewusste Firmen, Behörden, Journalisten und Bürger sind aufgerufen, die Umweltaktivisten öffentlich zur Verantwortung zu ziehen, ihre Legitimation zur Diskussion zu stellen und die Offenlegung ihrer finanziellen und politischen Verbindungen zu fordern. Nur dann, so der Autor, kann die Umweltbewegung ihre ursprüngliche Rolle zum Wohl der Umwelt und der Menschen in armen Ländern wieder erfüllen, die ihr seit ihren Anfängen abhanden gekommen ist.

«Eco-Imperialism» ist ein willkommener Beitrag zu einem brisanten, aber meist nicht öffentlich diskutieren Thema. Allerdings kommt bei der Lektüre zeitweise leiser Unmut auf – so wenn Driessen das Phänomen der Klimaänderung souverän als blosse Stimmungsmache von Aktivisten und von Firmen abtut, die aus dem im Kyoto-Protokoll festgelegten Emissionshandel Gewinn ziehen könnten. Die Arbeiten des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) – immerhin ein Gremium, das eine grosse Mehrheit der international anerkannten Klimaexperten in sich vereinigt – erwähnt Driessen nur ganz am Rand. Er vertritt die Meinung, das IPCC sei zu einem Politikinstrument verkommen. Hier wäre eine etwas überzeugendere Beweisführung angebracht gewesen. Ähnliches gilt für die nicht näher begründete Aussage, dass DDT für die Umwelt unschädlich sei.

Irritation löst die Tatsache aus, dass einige Aussagen des Autors die Reaktion der öffentlichen Meinung und der Politik auf die frühe Umweltbewegung in den 70er Jahren wiederaufleben lassen. So die Anspielung, dass gewisse Umweltprobleme bloss eine «Hysterie der Grünen» seien. Oder die Aussage, dass reiche Länder es sich leisten können, sich um die Umwelt zu kümmern, während dies für arme Länder der dritten Welt ein Luxus sei. Und schliesslich die Frage, ob ein paar Wildtiere wirklich wichtiger seien als Gesundheit und Wohlstand von Menschen. Insgesamt baut Driessens Argumentation auf einem stark anthropozentrischen und neoliberalen Weltbild auf. In einer Abwägung zwischen Anliegen des Schutzes der natürlichen Umwelt und dem Ziel, Überleben, Gesundheit und Wohlstand so vieler Menschen wie möglich sicherzustellen – zugegebenermassen ein ethisch schwieriges Unterfangen! – gibt Driessen letzterem in jedem Fall den Vorzug, ohne dies jedoch klar zu deklarieren. Umweltschäden sind in seinem Weltbild gegenüber menschlichen Bedürfnissen, welcher Art auch immer, ganz klar zweitrangig. Technologie, Wohlstand und wirtschaftliche Entwicklung stellt Driessen über alles. Er ist offensichtlich Anhänger einer Doktrin, die im freien Markt die Lösung (fast) aller Probleme sieht. Dies scheint für nicht gar so neoliberal gesinnte Zeitgenossen denn doch zu vereinfachend. Driessen kritisiert beispielsweise NGOs, die Billiglöhne für Arbeiter in sogenannten Sweat Shops in Entwicklungsländern anprangern. Schliesslich, so meint er, würden diese Löhne immerhin eine grosse Zahl von Familien ernähren. Die Frage sei erlaubt, ob er dasselbe Argument gelten lassen würde, wenn es sich um die Prostitution von Frauen und Kindern in diesen Ländern handelte. Auch diese erlaubt den Betreffenden schliesslich, sich zu ernähren.

Vollends irritierend sind schliesslich Aussagen, mit denen Driessen amerikanische Positionen und Interessen vertritt – wiederum ohne dies klar zu deklarieren. Den hohen Energieverbrauch der USA rechtfertigt er zum Beispiel damit, dass dieser es den USA erlaube, in grossen Teilen der Welt die Wirtschaft ankurbeln und Arbeitsplätze schaffen zu helfen sowie im Krieg gegen den Terrorismus die Führungsrolle zu übernehmen, was letztlich der ganzen Welt zugute komme. Driessen beschuldigt «EU-Bürokraten», Umweltaktivisten (die er bei dieser Gelegenheit kurzerhand in den gleichen Topf wirft) und gewisse europäische Firmen, Umweltanliegen für die Verteidigung ihrer eigenen wirtschaftlichen Interessen zu missbrauchen, insbesondere im Zusammenhang mit der Ablehnung der Bio-technologie und der Unterstützung des Kyoto-Protokolls. Und so wird man den Verdacht nicht ganz los, dass möglicherweise beiden Seiten in den einschlägigen Kontroversen – sei es Energieverbrauch, Klimaschutz oder Biotechnologie – die eigenen wirtschaftlichen Interessen mehr am Herzen liegen als das Schicksal der Armen in den Entwicklungsländern oder der Schutz der natürlichen Umwelt. Womit Paul Driessen mit seinem Weltbild richtig läge.

besprochen von KATHARINA KUMMER PEIRY, Inhaberin des Beratungsbüros Kummer EcoConsult in Fribourg und Dozentin für internationales Umweltrecht an der Universität Bern.

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