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Painter of the People


In Schottland läuft der Countdown zur Volksabstimmung über den Austritt aus dem Vereinigten Königreich. Im September 2014 werden wir vielleicht Zeugen dieser Sezession. Doch neue Nationen brauchen stets auch künstlerische Exponenten, kulturelle Aushängeschilder – so liegt es nahe, in der Glasgower Kelvingrove Art Gallery einen Blick auf die Retrospektive von Jack Vettriano zu werfen. Vettriano (bürgerlich: Hoggan) wird hier als «Painter of the People» angekündigt, was zweifach zutrifft: Einerseits hat der gelernte schottische Bergarbeiter und Autodidakt einen märchenhaften Aufstieg hinter sich und zählt heute zu den umsatzstärksten britischen Künstlern, zum anderen trifft sein Stil den Massengeschmack in optimaler Weise. Nostalgisch-kitschige Motive mit einer Prise Softporno-Ästhetik, gemalt in sauber-steriler naturalistischer Technik und in riesigen Auflagen druckgraphisch verbreitet. Der Bekanntheitsgrad seiner Poster oder Postkartenmotive wie etwa des «Singenden Butlers» ist exorbitant. Er soll bereits mehr als drei Millionen Poster verkauft haben. Nicht von ungefähr gilt Vettriano als König der Hotelzimmerdruckgrafik. Trotz Ehrung durch die Queen, trotz bekennender Sammler wie des Hollywoodstars Jack Nicholson, des Komponisten Sir Tim Rice oder des britischen Schauspielers Robbie Coltrane – der in Glasgow gefeierte Autodidakt wird von der seriösen Kunstwelt im feinen Edinburgh und im fernen London selbstverständlich tief verachtet. Und doch kann sein Lebensweg als Symbol der schottischen Träume von Reichtum und Unabhängigkeit gesehen werden. Wie das Bergarbeiteraschenputtel Vettriano will sich das karge Schottland verwandeln: mit Hilfe der umfangreichen Öl- und Gasvorkommen in seinen Hoheitsgewässern, deren Erlöse es nicht länger mit England teilen will. Mag sein, dass der Traum, sich in ein zweites Norwegen verwandeln zu können, zuckersüss ist, doch ebenso möglich ist es, dass er genau so leer und verlogen bleibt wie Jack Vettrianos Bildwelt.

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