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Overhead gleich Underperformance?

Drei Irrtümer.

Overhead gleich Underperformance?
Georg von Schnurbein, illustriert von Irina Kruglova.

Stellen Sie sich vor, Sie bewürben sich auf eine neue Stelle in einer anderen Stadt. Das Gespräch verläuft sehr gut und Sie sollen die Stelle erhalten. Die HR-Verantwortliche der Firma hat jedoch noch eine Bedingung: «Bei uns ist es üblich, dass man den Anteil der Wohnkosten am Lohn vorab festlegt.» Also überlegen Sie und – auch um nicht unverschämt dazustehen – setzen Ihre Wohnkosten auf 25 Prozent des zu erwartenden Lohns. Sie erhalten die Stelle, doch bei der Wohnungssuche fällt Ihnen auf, dass die neue Stadt viel teurer ist als gedacht. Schliesslich finden Sie noch etwas zum vereinbarten Preis, aber direkt neben einem Club. Aufgrund der Lärmbelästigung kommen Sie so immer öfter unausgeschlafen zur Arbeit. Ihre Leistungsfähigkeit sinkt. Am Ende des ersten Jahres prüft die Firma aber nur, ob Sie die 25 Prozent Wohnkostenanteil eingehalten haben.

Die Geschichte klingt bizarr. Nonprofitorganisationen (NPO) müssen sich aber oftmals genauso vorkommen, wenn sie Anträge an staatliche oder private Geldgeber stellen. Der maximal zulässige Verwaltungsaufwand bei diesen Anträgen ist nämlich vorgegeben – bei Anträgen an die World Bank beispielsweise darf er nicht mehr als 15 Prozent betragen. Anträge mit höherem Overhead werden gar nicht weiterbehandelt.

In der Schweiz publiziert die Stiftung Zewo regelmässig eine Kostenstudie über Hilfswerke. Im Zentrum steht immer die Frage, wie viel ein Spendenfranken kostet. Im Zeitablauf stellt man dabei fest, dass der Overhead-Anteil am Spendenfranken zwischen 2004 und 2015 im Durchschnitt von 25 Rappen auf 21 Rappen gefallen ist. Die effektiven Kosten für Fundraising sind jedoch mit durchschnittlich 8 Prozent konstant geblieben. Gespart wurde also nicht bei der eigentlichen Mittelbeschaffung, sondern nur in der Administration.

Woher kommt diese Obsession auf den NPO-Overhead? Es verstecken sich dahinter mindestens drei Irrtümer. Zusammengenommen ergeben sie eine toxische Mischung, die die Entwicklung des Nonprofitsektors mehr hemmt als jede ausbleibende Spende.

Irrtum Nr. 1 bezieht sich auf die Spende als Wohltat.

Hinter der Idee der Spende steht immer noch die Vorstellung einer mildtätigen Leistung für benachteiligte Personen. Dass daraus jemand einen – evtl. sogar marktgerechten – Lohn erhält, passt nicht in dieses Bild. Deshalb hält sich das Diktum, dass Spenden nur dann richtig eingesetzt werden, wenn sie direkt bei den Bedürftigen ankommen. Die NPO selbst tragen mit Aussagen wie «100 Prozent gehen ins Projekt» zu diesem Irrtum bei und verschärfen damit ihre eigene Situation. Die Wahrheit ist, dass jede Aktivität einer angemessenen Administration bedarf. Sie steht nicht im Widerspruch zum guten Zweck, sondern ermöglicht eine bessere Umsetzung.

Bei Irrtum Nr. 2 geht es um Messbarkeit.

Unternehmen berichten über Gewinn oder Ertrag, um ihre Leistungsfähigkeit zu beweisen. NPO haben es da wesentlich schwerer, über ihren Erfolg zu reden. Um dennoch eine Zahl zu berichten, wurde die «Fundraisingeffizienz» erfunden, also die Frage, wie teuer die Geldbeschaffung ist. Die Art und Weise, wie darüber berichtet wird, lässt den Eindruck entstehen, dass von einem Ganzen etwas weggenommen wird. Dabei sollte die zentrale Aussage ganz anders lauten: Geben Sie einem Fundraiser 21 000 Franken und er macht daraus in einem Jahr 100 000 Franken! Wenn schon der Input gemessen wird, dann nicht als Kosten, sondern als Hebelwirkung.

Irrtum Nr. 3 betrifft den Unterschied von Input und Wirkung.

Die scheinbar harten und vergleichbaren Zahlen zum Verwaltungsaufwand sagen leider gar nichts über die Leistung der NPO aus. Denn am wenigsten Overhead hat natürlich die Organisation, die gar nichts tut. Niedriger Overhead führt nicht zu Overperformance, sondern zu schlechter Infrastruktur, schlecht bezahlten Mitarbeitenden und ausbleibenden Investitionen. Wer Jahr für Jahr Verwaltungsaufwand gegen Leistungen verrechnen muss, kann keine langfristige Perspektive entwickeln.

So wie Mitarbeitende nicht nach Wohnkostenanteil, sondern nach ihrer Leistung bewertet werden, sollten NPO nicht nach Overhead, sondern nach ihrer Wirkung beurteilt werden. Auch wenn diese Beurteilung nicht immer leicht fällt – besser istʼs.

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