Orgien mit Wachsfarben
und Ölkreiden
Kinderzeichnungen im Drogenrausch? Das Wiener Publikum begegnet der Retrospektive auf Jean-Michel Basquiat mit andächtiger Ehrerbietung.
Der New Yorker Künstler Jean-Michel Basquiat ist ein typischer Vertreter des 27 Club: Ein stürmisches Leben, das mit 27 Jahren an einer Überdosis Heroin zu Ende geht. Sein Vermächtnis muss genial sein! Darauf muss man nicht nur kommen aufgrund der für seine Werke bezahlten Preise, die sich auf über 100 Millionen US-Dollar belaufen, sondern auch aufgrund der Art, mit der Besucher der Wiener Albertina die Sonderausstellung zu seinem Werk besuchen. Wie katholische Messdiener schreiten sie andächtig durch die im Drogenrausch geschaffenen Werke des Künstlers. Hier ein Fetzen Papier, auf die eine wilde Figur gekritzelt ist, da ein orgiastisches Farbenspektakel, dort ein paar Notizen mit dem Neocolor-Stift – jedes Fitzelchen schön eingerahmt und beschriftet, zumeist mit «Untitled». Aus dem Kontext gerissen könnte man einige seiner Werke für Kinderzeichnungen halten, die ein gestrenger Lehrer zurückweisen würde. Doch seine Werke bewegen, überzeugen, begeistern viele. Der berühmte Feldhase von Albert Dürer von 1502 ein paar Stockwerke höher in der Sammlung dagegen bleibt, versteckt im hintersten Raum, ohne Besucher. Umso schöner ist er anzusehen. (rg)