Ohne Umwelt kein Freihandel
Thomas Milic, zvg.

Ohne Umwelt kein Freihandel

Das hauchdünne Ja des Schweizer Stimmvolks zum Abkommen mit Indonesien deutet auf eine wachsende Skepsis gegenüber dem Freihandel hin. Bei der Aushandlung neuer Verträge müssen ökologische Bedenken berücksichtigt werden.

 

Am 7. März 2021 nahm das Schweizer Stimmvolk das Freihandelsabkommen mit Indonesien (FHA Indonesien) an – allerdings überraschend knapp mit einer Zustimmung von lediglich 51,65 Prozent. Im Vorfeld der Abstimmung war ein deutlicherer Ausgang erwartet worden, denn das Abkommen stand im Schatten der gleichzeitig vorgelegten Burkainitiative, rief nur bei einem Teil der Linken Widerstand hervor und hatte – anders als die meisten in den vergangenen Jahren dem Volk vorgelegten Verträge mit der EU – keine migrationspolitische Komponente. Ausserdem enthielt es verbindliche Nachhaltigkeitsvorschriften bezüglich des Palmölimports – ein Novum für Freihandelsverträge. Nebst Bundesrat und einer Mehrheit des Parlaments sprachen sich so gut wie alle Wirtschaftsverbände für das Abkommen aus. Nur ein Teil der Linken bekämpfte das Abkommen, weil ihrer Ansicht nach die Nachhaltigkeitskriterien ungenügend waren. Es ist gar nicht so lange her, da garantierte eine solche Ausgangslage einen komfortablen Urnenerfolg. Doch aus dem Sieg im Schlafwagen wurde nichts: Die Abstimmung wurde für die Befürworterschaft zur Zitterpartie. Markierte diese Abstimmung eine Trendwende in den Haltungen des Schweizer Stimmvolkes zu Wirtschaftsfragen?

Zufallsmobilisierung gegen das Indonesienabkommen

Tatsächlich könnte der knappe Ausgang auch einer aussergewöhnlichen und sich kaum wiederholenden politischen Konstellation geschuldet sein. Dafür spricht zunächst der Umstand, dass rund ein halbes Jahr vor dem Urnengang vom 7. März 2021 über eine andere Vorlage abgestimmt wurde, bei der es ebenfalls um Fragen der Wirtschaftsethik ging: die Konzernverantwortungsinitiative. Der Linken gelang es bei der damaligen Abstimmung im November 2020 mit einer aussergewöhnlich langen und innovativen Kampagne, ihre Anhängerschaft in Massen an die Urnen zu treiben. Nur das Ständemehr verhinderte schliesslich, dass eine linke Volksinitiative erstmals gegen den vereinten Widerstand der Wirtschaft reüssierte. Ihre neugewonnene Mobilisierungskraft nutzte die Linke sodann auch beim eidgenössischen Urnengang vom 7. März 2021, jedoch nicht primär, um das FHA Indonesien zu bodigen, sondern um den sich fast sicher abzeichnenden SVP-Sieg bei der Burkainitiative im letzten Moment abzuwenden. Beinahe wäre dieses Unterfangen gelungen. Für die Befürworter des Indonesienabkommens waren das schlechte Neuigkeiten: Unter dem «Ansturm» der linken Wählerschaft auf die Urnen wankte plötzlich auch das FHA.

Sein knappes Abschneiden verdankt das FHA Indonesien somit auch einem gewissen Zufallsmoment, resultierend aus der abstimmungsterminbedingten Kombination mit der Burkainitiative. Solche «Multipackeffekte» ergeben sich immer wieder und sorgen im Vorfeld einer Abstimmung regelmässig für grosse Unsicherheit, weil Ausmass und Richtung dieses Effekts kaum vorhersehbar sind. So scheiterte jüngst das CO2-Gesetz vermutlich deshalb, weil es zusammen mit zwei Agrarinitiativen vorgelegt wurde, die die Landbevölkerung massiv mobilisierten. Kurz: Die knappe Zustimmung zum FHA Indonesien hatte auch mit der ungewöhnlichen Zusammensetzung des Stimmkörpers an jenem Abstimmungssonntag im März zu tun. Wäre das Abkommen erst am darauffolgenden Abstimmungstermin zusammen mit den Agrarinitiativen vorgelegt worden, so hätte das Ja- vermutlich einen deutlicheren Vorsprung auf das Nein-Lager erzielt.

Wirtschaftsskepsis ist im Trend

Gewisse langfristige Trends, die über den Zufall hinausgehen, waren bei der Abstimmung über das FHA Indonesien jedoch durchaus zu erkennen: Erstmals standen beispielsweise im Rahmen einer aussenpolitischen Abstimmung Umweltfragen im Mittelpunkt der Diskussionen. Diese umweltbezogenen und ethischen Aspekte waren im Abstimmungskampf sogar so dominant, dass die Medien anstelle des offiziellen Titels der Vorlage den eingängigeren Kurztitel «Palmölinitiative» verwendeten, der ohne Umschweife benannte, worum es im Abstimmungskampf ging. Dieses «Framing» schlug sich auch in den Motiven der Stimmenden nieder: Unter den Nein-Stimmenden dominierten eindeutig die ökologischen und ethischen Beweggründe. Selbst 21 Prozent der Ja-Stimmenden begründeten ihren Entscheid nicht mit wirtschaftspolitischen Argumenten, sondern gaben die Umweltstandards als Hauptgrund für ihre Zustimmung an.1 Ohne diese Stimmen, die primär von SP- und GLP-Sympathisierenden stammten, wäre das Handelsabkommen höchstwahrscheinlich gescheitert.

Dieser Umstand verdeutlicht, dass es bei Aussenhandelsabstimmungen nicht mehr ausreicht, auf ihren wirtschaftlichen Nutzen oder Schaden eines Abseitsstehens hinzuweisen. Es…

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