Nur wache Stiftungen erfüllen ihren Zweck
Die Verwaltung von Stiftungen kostet Geld. Das ist unvermeidlich. Unvertretbar wird dies, wenn als Folge zu wenig Mittel für die Erfüllung des Stifterwillens übrigbleiben und die Stiftung einschläft. Von der schwierigen Balance zwischen Vermögensertrag, Verwaltungskosten und Stiftungszweck.
Der philanthropischen Vision vieler Stifter, nachhaltig Gutes zu tun, steht in der Realität häufig die Hürde eines mit Blick auf den Stiftungszweck ungenügenden Stiftungsvermögens entgegen. Auch wenn nicht viel erhärtetes Zahlenmaterial zur Grösse von Stiftungsvermögen vorliegt, kann dennoch davon ausgegangen werden, dass in der Schweiz das Vermögen der meisten gemeinnützigen Stiftungen unter 10 Millionen Franken liegt. Wenn die regelmässige Ertragsquelle der Stiftungen aus den Vermögenserträgen besteht – und das ist die Regel –, dann stellt sich die Frage, bis zu welchem Grad die Verwaltungskosten der Stiftung diese Erträge konsumieren – ob eventuell in einem solchen Ausmass, dass eine nachhaltige Fördertätigkeit der Stiftung erschwert oder gar verunmöglicht wird.
Der Schweizer Gesetzgeber überlässt die operative Gestaltung der Stiftung weitgehend dem Stifter und ihre Führung dem Stiftungsrat, dem einzigen Organ der Stiftung. Dieser weite gesetzgeberische Ermessensspielraum hat im Zuge der öffentlichen Debatte um die Rolle von Stiftungen – auch mit Blick auf ihre Steuerbefreiung – zu Verhaltensempfehlungen in Form von codes of conduct geführt. Der für Förderstiftungen massgebliche «Swiss Foundation Code» schreibt, in der Fassung von 2009, in seiner vierten Empfehlung: «Der Stiftungsrat bestimmt die Stiftungsstrategie in Bezug auf Förderung und Finanzen. Er kontrolliert deren Umsetzung und achtet dabei auf das kurz-, mittel- und langfristige Gleichgewicht von Zielen und Mitteln.» Bei Förderstiftungen mit relativ kleinem Stiftungsvermögen besteht für den Stiftungsrat daher die Herausforderung, die Verwaltungskosten, also die Personal- und Administrativkosten, im Verhältnis zu den Förderausgaben zu begrenzen.
Wichtige Administrativkosten sind die Vermögensverwaltungskosten, die bei Erteilung eines Vermögensverwaltungsmandats an eine Bank erheblich sein können. Auch die Personalkosten einer permanenten Geschäftsführung dürften den finanziellen Rahmen einer kleinen Förderstiftung sprengen. Hinzu kommen noch die Kommunikationskosten, wie der Unterhalt einer Homepage, oder auch die Produktionskosten eines Geschäftsberichts. Schliesslich können auch die eigentlichen Bürokosten sowie Spesen aller Art für das Verwaltungsbudget ins Geld gehen.
Im Rahmen dieser kurzen Ausführungen soll im Zusammenhang mit der Stiftungsführung lediglich folgendes in Erinnerung gerufen werden. Eine Anlagestrategie muss die drei Komponenten Rendite, Risiko (Volatilität der Vermögenserträge) und Liquidität, unter Berücksichtigung der Vorgaben und des Stiftungsvermögens, in ein vertretbares Verhältnis bringen, um einen optimalen risikogemässen Ertrag zu erbringen. Für eine auf unbestimmte Zeit angelegte Förderstiftung ist die Vermögensrendite von zentraler Bedeutung. Ihrer Maximierung stehen jedoch die dabei einzugehenden Risiken entgegen. Das einzugehende Risiko, ohne welches kaum eine ansprechende Rendite erzielt werden kann, muss an die eingegangenen finanziellen Verpflichtungen der Stiftung, unter Berücksichtigung allfälliger Schwankungsreserven, angepasst werden. Ohne solche Reserven muss das Risiko begrenzt werden, um finanziellen Engpässen vorzubeugen, was wiederum den Vermögensertrag reduziert. Der Liquidität ist mit Blick auf die finanziellen Verbindlichkeiten Beachtung zu schenken, was gerade in der jüngsten Finanzkrise augenfällig geworden ist.
Die in der folgenden Graphik dargestellten Modellberechnungen zeigen, dass bei (zu) kleinem Stiftungsvermögen die Verwaltungskosten rasch einen inakzeptablen Anteil der verfügbaren Erträge erreichen können. Insbesondere bei dem Szenario mit jährlichen Verwaltungskosten von 25’000 Franken dürfte es für einen Stiftungsrat auch bei schlankem Management schwierig sein, die Verwaltungskosten unter diesem Wert zu halten. Denn häufig wird – so die Daten der mittelgrossen Stiftungen, die ihre Geschäftszahlen publizieren – die Limite von jährlich 50’000 Franken überschritten.
Die für einen jährlichen Vermögensertrag von deutlich über drei Prozent notwendige Rendite wird sich nur unter Inkaufnahme grösserer Risiken und damit auch grösserer Ertragsschwankungen erzielen lassen. Je dringender deshalb eine kleine Stiftung bestimmte jährliche Finanzmittel benötigt, um so konservativer müsste eigentlich ihre Anlagestrategie sein. Im gleichen Zug steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Verwaltungskosten der Stiftung die verfügbaren Finanzmittel aufzehren.
Die Verfasser des «Swiss Foundation Code» sind sich dieser bislang noch wenig diskutierten Relation bewusst, wenn sie in Erinnerung rufen: «Insbesondere kleineren, auf unbefristete Dauer angelegten Förderstiftungen droht früher oder später Gefahr, inaktiv zu werden. … Solche «stillen Stiftungen» tätigen dann kaum namhafte oder sinnvolle Ausschüttungen, und ihre Vermögenserträge dienen womöglich im wesentlichen dazu, Honorare und Gebühren von Dienstleistern zu finanzieren, die wegen der Kleinheit der Stiftung oft auch Mitglieder des Stiftungsrates sind. Mit der Beschränkung der Stiftungsaktivitäten auf eine blosse Verwaltungstätigkeit, die im Bereich Geschäftsführung, Administration und Vermögensverwaltung schöne Honorare generiert, missachtet der Stiftungsrat den Stifterwillen und verletzt seine Pflichten eklatant.»
Eine kapitalschwache Förderstiftung läuft zweifellos Gefahr, in eine finanztechnische Sackgasse zu geraten, auch wenn sich der Stiftungsrat redlich bemüht, die Verwaltungskosten tiefzuhalten. Ein mit solchen Problemen konfrontierter Stiftungsrat wird dabei nicht selten zum Schluss gelangen, dass die Stiftung gewissermassen mit einem Geburtsfehler behaftet sei. Mit anderen Worten: der Stifter hat das Verhältnis zwischen marktbedingt erzielbarem Vermögensertrag einerseits und den Kosten einer nachhaltigen Fördertätigkeit plus Stiftungsverwaltung anderseits zu wenig erwogen. Um so wichtiger erscheint in diesem Zusammenhang die fachkundige und neutrale Beratung des Stifters in der Gründungsphase, wofür vorzugsweise Vertreter von Stiftungsvereinigungen oder unabhängige philanthropische Berater, weniger indessen Vertreter zukünftiger Dienstleister der zu gründenden Stiftung in Frage kommen.*
Gouverner, c’est prévoir – dies gilt gerade auch für die Errichtung einer Förderstiftung mit unbestimmtem Zeithorizont und begrenzten finanziellen Mitteln. Die Anzeichen einer Fortsetzung des bisherigen Stiftungsgründungsbooms lassen es als wünschenswert erscheinen, dass bei der Errichtung einer Stiftung dem Verhältnis zwischen nachhaltig erzielbarem Vermögensertrag und den Förderungs- und Verwaltungskosten die nötige Aufmerksamkeit zuteil werde.
* Um dem Stiftungszweck auch in einem engen finanziellen Korsett gerecht zu werden, gibt es eine Reihe von Alternativen, die in den folgenden Beiträgen ab S. 32 vorgestellt werden.