Nur Mut, liebe Finanzvorsteher!
Eine Studie zeigt, dass gerade erfolgreiche Finanzminister allerbeste Chancen auf eine Wiederwahl haben.

Wenn es darum geht, ein Budget für das kommende Jahr zu erstellen, sind Finanzverantwortliche oft die Spielverderber. Sie lassen die grossen Träume der anderen platzen. Es ist der vernünftige Kassenwart, der stets daran erinnert, dass die Mittel begrenzt sind – im Gegensatz zu den Ideen, wie das Geld ausgegeben werden kann.
In der Schweiz wird die Exekutive im Kollegium ausgeübt, mit gleich verteilten Rechten und Pflichten. In den Gremien stehen Finanzverantwortliche aber oft Kollegen gegenüber, die im Gegensatz zu ihnen alle ein Interesse daran haben, die Ausgaben in ihrem Departement zu erhöhen.
Denn höhere Ausgaben bedeuten mehr Mitarbeiter, Handlungsspielraum und Macht. Höhere Budgets ermöglichen mehr politischen Aktivismus und erlauben es, die Bevölkerung durch Subventionen oder Privilegien davon zu überzeugen, (wieder) für einen selbst zu wählen. Dies mag zynisch klingen, ist aber wahr. In einer Studie, die bereits 1975 für Aufsehen sorgte, zeigte der spätere Nobelpreisträger William Nordhaus, dass die Staatsausgaben vor den Wahlen tendenziell steigen, um sich die Unterstützung der Wähler zu «kaufen».
Stimmenkäufe schaden der Wirtschaft
Finanzminister müssen die Ausgaben und Einnahmen im Auge behalten, oft sind sie dazu verpflichtet, ausgeglichene Konten zu führen. Eine überbordende Ausgabenfreude führt dazu, dass Finanzminister andere Einnahmequellen finden oder an anderer Stelle Einschnitte vornehmen müssen – beides sind wenig attraktive Aufgaben. Steuern oder Abgaben zu erhöhen ist einfacher, als Einsparungen vorzunehmen. Denn die Gruppe, die von staatlichen Transferleistungen profitiert, weiss in der Regel, wie sie mobilisieren und wie sie der Öffentlichkeit vermitteln kann, wie essenziell gerade ihre Subventionen sind.
Finanzminister üben sich daher oft in der «Kunst der Besteuerung». Sie besteht darin, die Gans – also den Steuerzahler – zu rupfen, um mit möglichst wenig Geschrei möglichst viele Federn zu erhalten. Mit anderen Worten, Steuererhöhungen zu finden, die entweder demagogisch sind und nur wenige Menschen betreffen oder aber eine breite Öffentlichkeit betreffen, dafür aber in einem kaum spürbaren Ausmass.
«Die ‹Kunst der Besteuerung› besteht darin, die Gans – also den
Steuerzahler – zu rupfen, um mit möglichst wenig Geschrei möglichst viele Federn zu erhalten.»
Das Problem dabei: Diese steuerliche Instabilität und die indirekten Stimmenkäufe schaden der Wirtschaft. Sie verzerren Märkte, führen zu falschen Anreizen oder erhalten gar Zombiefirmen am Leben, die es ohne staatliche Beihilfen nicht gäbe. Letztendlich verlieren alle, ausser den Minderheiten, die diese Subventionen erhalten. Es liegt deshalb in unserem Interesse als Bürger, die wir alle in einem prosperierenden Land leben wollen, die Motivation der Finanzverantwortlichen zu stärken, ausgeglichene Konten zu führen.
Nun aber kommt die gute Nachricht: In einer Studie zeigen Aurélia Buchs und Nils Soguel von der Universität Lausanne anhand von Daten zu kantonalen Wahlen von 1980 bis 2019, dass Finanzverantwortliche in der Schweiz bei Wahlen von einem haushälterischen Umgang mit Steuergeld profitieren. Ein ausgeglichenes oder gar überschüssiges Finanzresultat oder Schuldenabbau bringen Stimmen über die traditionelle Wählerschaft hinaus. Mit anderen Worten: Die Wähler belohnen verantwortungsvolles Haushalten in hohem Masse. Also, liebe Finanzvorsteher: Nur Mut, das Volk ist auf Ihrer Seite!
Diese Kolumne erschien zuerst auf Französisch in «Le Temps».