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Neues goldenes Zeitalter

Kapitalisten entdecken, dass man Geld damit machen kann, Gutes zu tun. Sie handeln nicht aus Altruismus, sondern aus purem Eigeninteresse. Das goldene Zeitalter des Philanthrokapitalismus hat eben erst begonnen.

Die Bemerkung, der Kapitalismus sei die Lösung und nicht das Problem, sorgt seit der Finanzkrise bestenfalls für hochgezogene Augenbrauen, wenn nicht gar für ausgiebige Lacher. Nichtsdestotrotz hat sich ein neues Denkmuster für Wirtschaft und Wohlstand etabliert: die Rede ist vom sogenannten «Philanthrokapitalismus». Die unter diesem Begriff zusammengefassten Strategien zum Umgang mit den hartnäckigsten Problemen dieser Welt beginnen die Entwicklung des gegenwärtigen Kapitalismus als System zu beeinflussen.

Die offensichtlichste – und vielkommentierte – Verwirklichung des Philanthrokapitalismus liess sich während des Spendenbooms einer neuen Generation superreicher Unternehmer wie Bill Gates beobachten. Während des letzten Jahrzehnts hat der Gründer von Microsoft einen Krieg nach dem anderen gegen die Armut geführt, vornehmlich gegen Krankheiten wie Malaria und Durchfall, die jährlich Millionen Opfer in unterentwickelten Ländern fordern. Für Gates ist der Wille zu geben seitens derer, die haben, zentraler Bestandteil eines Gesellschaftsvertrages für das 21. Jahrhundert. Deshalb hat er mit seinem philanthropischen Bruder im Geiste – mit Warren Buffett– den sogenannten «Giving Pledge» ins Leben gerufen: das Versprechen, die Hälfte des eigenen Vermögens für gute Zwecke zu spenden –, und die Aufforderung an andere Milliardäre auf der ganzen Welt, es ihnen gleichzutun.

Die Lösung: impact investing

Doch selbst wenn wir annehmen, dass die Superreichen dieser Welt sich der Gates-Buffett-Initiative anschlössen, würde das immer noch nicht annähernd die Probleme unserer Welt lösen. Gates selbst gibt dies offen zu. Seine Stiftung, die mehr als 4 Milliarden US-Dollar jährlich spendet, bezeichnet er als «winzig kleine Organisation» verglichen mit dem, was er tatsächlich erreichen will. Um Nachahmer zu finden, müsste das Geben schlichtweg attraktiver werden. Ein wachsendes Interesse an einer Kombination aus Philanthropie und der Schaffung von Wohlstand, wie etwa in Form des innovativen impact investing, liegt also auf der Hand – und hat viel Potential.

Impact investing setzt sich zum Ziel, gleichzeitig eine soziale wie auch finanzielle Rendite zu erwirtschaften. Die finanzielle Rendite soll, so die Theorie, die Mainstream-Kapitalmärkte anziehen. Die Aussicht auf mögliche Gewinne würde die Akteure dieser Märkte und ihr Kapital also vor den Karren des sozialen Fortschritts spannen. Dadurch wären Problemregionen dieser Welt nicht mehr von der Wohltätigkeit anderer oder von staatlichen Hilfen abhängig. Forschungsstudien von JP Morgan gehen davon aus, dass im Jahr 2010 weltweit ein Potential von rund einer Billion US-Dollar bloss darauf wartete, in solche impact investments investiert zu werden.

Wie setzt man dieses Geld also sinnvoll ein? Ein lukratives Geschäft für die Investitionen könnten elementarste Dienstleistungen für die untersten Schichten der Gesellschaft sein: Grundausbildung, medizinische und Trinkwasserversorgung. Diese Aufgaben würden aber wahrscheinlich nicht von traditionellen Start-ups übernommen, sondern von sogenannten Sozialunternehmern. Sozialunternehmer wiederum bedürfen einer völlig neuen Marktinfrastruktur, da sie Anschubfinanzierungen sowie bei-nahe zinslose Kredite benötigen, um mit ihren Unternehmen eine kritische Grösse zu erreichen, die für profitorientierte Kapitalgeber  attraktiv ist. Bekannt ist dieses Phänomen aus dem Mikrofinanzsektor. Über den Zeitraum von dreissig Jahren ist Mikrofinanzierung von reiner Nächstenliebe zu einer Industrie geworden, die heute viele profitorientierte Finanzinstitutionen beherbergt. Und obwohl dieses Wachstum mit einigen Kinderkrankheiten zu kämpfen hatte, vor allem wenn die Kreditwürdigkeit armer Schuldner nicht richtig eingeschätzt wurde, konnte das Modell doch vielen Millionen Menschen den Zugang zu elementaren finanziellen Dienstleistungen eröffnen, von denen sie früher nicht einmal zu träumen wagten.

Die Tugendintermediäre

Einige Fragen müssen allerdings geklärt werden, will man die Potentiale von impact investing tatsächlich nutzen. Erstens: es bedarf einer besseren Messung der tatsächlichen gesellschaftlichen Auswirkungen einer Investition, so dass Investoren wissen, welche soziale Rendite sie für ihr Geld erhalten. Es ist wohl unmöglich, für soziale Investitionen Messgeräte zu entwickeln, die Erfolg ebenso treffend abzubilden vermögen wie bereits entwickelte Werkzeuge den erwarteten Profit in der Geschäftswelt. Dennoch gibt es guten Grund zu glauben, dass bedeutende Fortschritte gemacht werden können, wenn es um das geht, was wir heute unter der Messung von social impact verstehen. Entscheidend ist, dass sich die zu solchen Innovationen entschlossenen Menschen einig werden, wie soziale Wirkung definiert werden kann – je enger die Definition, desto besser. Zurzeit machen zuweilen triviale Unterschiede in den Messmethoden jede Art von vergleichender Analyse zunichte.

Zweitens braucht es das, was wir – etwas pathetisch – «Tugendintermediäre» (virtue’s intermediaries) nennen. Diese spielen eine gleichbedeutende Rolle in der Welt der sozialen Innovation wie die Finanzinterme-diäre – die Vermittler zwischen Kapitalangebot und -nachfrage – in der Profitwelt. Es existieren bereits vielversprechende Beispiele solcher Intermediäre, die Startkapital, Darlehen, Wachstums- und auch Anteilskapital für sozialunternehmerisch orientierte Start-ups bereitstellen. Und Institutionen forschen darüber, welche Organisationen den grössten bang for the buck auslösen, also die grösste Wirkung bei gegebener Investition entfalten. Die eklatanteste Schwäche der Tugendintermediäre besteht darin, dass sie unterkapitalisiert sind. Das nicht zuletzt deshalb, weil Philanthropen und Staaten sich zu wenig mit der Frage befassen, wie die Infrastruktur der Intermediäre beschaffen sein muss, damit das eingesetzte Kapital eine viel höhere soziale Rendite erzielt, als es dies heute tut.

Wir können jedoch optimistisch sein in bezug auf das Potential, das impact investing hat. Einer davon ist die wachsende Zahl führender profitorientierter Firmen, die Teil der Philanthrokapitalismus-Bewegung werden, indem sie ihr Verhältnis zur Gesellschaft überdenken. Firmen wie Wal-Mart, Pepsi, Nestlé und Nike realisieren, dass eine konstruktivere Einstellung zur Lösung gesellschaftlicher Probleme keinen Verlust bringt, sondern vielmehr zur längerfristigen Steigerung ihrer Profite beiträgt. In einem Anfang 2011 in der «Harvard Business Review» erschienenen Artikel nannten Michael E. Porter, ein führender Managementvordenker, und sein Co-Autor Mark R. Kramer diesen unternehmerischen Fokus auf der Schaffung von Win-win-Situationen für Firmen und Gesellschaft creating shared value.*

Raubtierkapitalismus ade?

Die Idee, Unternehmen und Investoren könnten davon profitieren, dass sie Gutes tun, ruft aber auch Skeptiker auf den Plan. Sie werfen ein, dass dies nur gute Öffentlichkeitsarbeit sei – man es also mit demselben alten Raubtierkapitalismus zu tun habe, der bloss in einem neuen Schafspelz daherkomme. Und sie könnten durchaus recht behalten, wenn es nicht zu einem breiteren Wandel in der Wirtschaft kommt, der den Philanthrokapitalismus zu einer mainstreamtauglichen Bewegung macht.

In unserem Buch «The Road from Ruin»** untersuchen wir, wie der Wohlstand schaffende Teil des Systems dazu gebracht werden kann, härter an einer besseren Gesellschaft zu arbeiten. Es hätte nicht der globalen Finanzkrise bedurft, um zu erkennen, wie gross der Einfluss der Finanzmärkte ist – und wie katastrophal ein fehlerhafter, leichtfertiger Umgang mit ihnen sich auswirkt. Während 30 Jahren florierte eine selbstmörderisch unverantwortliche Kultur der Kurzfristigkeit. Die Boni wuchsen nur, weil Banken immer rücksichtslosere Mengen riskanter Schulden aufnahmen. Die Bilanz dieser Strategie war aber nicht nur für die Gesellschaft schlecht, sie war auch schlecht für die Aktionäre. Dies zeigt, dass hinter ihr ein widersinniges – unkapitalistisches – Verständnis von Kapitalismus stand.

Damit impact investing zu einer Anlagekategorie wird, ist es entscheidend, unser Wirtschaftssystem von der Jagd nach kurzfristigen Profiten auf die Schaffung langfristiger Werte umzupolen. Dieser Wandel braucht eine Veränderung der Anreize im eigentlichen System der Wirtschaft ebenso wie in der Führung philanthrokapitalistischer CEOs. Ein Beispiel: so wie die meisten Pensionsfonds reguliert sind, interpretieren deren Verwalter es als ihre treuhänderische Pflicht, kurzfristig den aktuellen Wert des Fonds zu maximieren. Und sind dies nicht gerade jene Investoren, die sich am meisten darum kümmern sollten, wie die Welt in 20, 30 oder 40 Jahren aussehen soll? Und sind es nicht gerade sie, die deshalb den Weg zu nachhaltigen Investitionen weisen?

Wir glauben nicht, dass der Kapitalismus jemals perfekt sein wird oder dass man die dunkle Seite der Natur des Menschen gänzlich austreiben kann. Das goldene Zeitalter des Philanthrokapitalismus ist keine Frage von Altruismus, sie ist ein Imperativ aufgeklärten Selbstinteresses, das mit der Frage beginnt: was bedeutet es, ein gutes Investment zu tätigen?

* Siehe Gespräch mit Michael E. Porter auf Seite 49.
** Matthew Bishop/Michael Green: The Road from Ruin. A New Capitalism for a Big Society. London: A & C Black Publishers Ltd., 2011.

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