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Pauline Voss: Generation Krokodilstränen: Über die Machttechniken der Wokeness. Europa Verlag, 2024. Bild Europa Verlag.

Neue, progressive Spiessbürger

Pauline Voss identifiziert die Woke-Bewegung als konformistisches Spiessertum. Nicht mal Foucault hätten sie verstanden.

Das Spiessertum sei nie weg gewesen, schreibt Journalistin Pauline Voss in ihrem neuen Buch «Generation Krokodilstränen». Das Spiessertum existiere heute nur in einer anderen Form: War der klassische Spiessbürger früher konservativ und habe sich durch Eigenschaften wie Pünktlichkeit definiert, sei der heutige Spiesser progressiv und definiere sich über politische Korrektheit. Was sie vereine, sei ihr Konformismus. Beide würden sich gesellschaftliches Prestige durch Anpassung und Unterdrückung der eigenen Individualität verschaffen. Beide würden sich dem gegenwärtigen Zeitgeist unterwerfen.

Als NZZ-Redaktorin zeigte sich Pauline Voss als scharfe Kritikerin der grünen Politik. So warf sie den Grünen im Fall Sarah-Lee Heinrich Doppelmoral vor. In ihren Teenagerjahren hatte die Bundessprecherin der Grünen Jugend in Deutschland Mordfantasien und rassistische sowie homophobe Aussagen auf Twitter veröffentlicht. Hätte ein bürgerlicher Jungpolitiker vergleichbare Aussagen gemacht, wäre der Aufschrei in linksgrünen Kreisen sicher gewesen. Weil sie jedoch eine Grüne war, würden beleidigende Äusserungen wie «eklige weisse Mehrheitsgesellschaft» von linksgrünen Journalisten wie dem taz-Kolumnisten Mohamed Amjahid verharmlosend relativiert.

Im Buch nimmt Voss auch die Machttaktiken der sogenannten Woke-Bewegung ins Visier und analysiert dabei die Schriften des französischen Philosophen Michel Foucault. Sie kritisiert, dass seine Schriften irrtümlicherweise als Grundlagenwerk der Woke-Ideologie dienten. Doch genau das Gegenteil sei der Fall – eigentlich delegitimiere Foucault das Gedankenkonstrukt des Wokeismus. Wie seine Theorien eigentlich zu verstehen seien, liest man im letzten Kapitel: «Foucaults Untersuchungen haben unser Bewusstsein dafür erweitert, wie sehr wir selbst an der Konstruktion jener Wahrheiten beteiligt sind, die uns als gegeben erscheinen. Er ermöglicht uns, unser Verhalten als Rollenverhalten zu erkennen. Damit leistete er einen wichtigen Beitrag zur demokratischen Ermächtigung: Nur wer seine Rolle als solche wahrnimmt, kann sie gestalten.» Foucaults Ansatz bestehe darin, Diskurse zu untersuchen, um sie zu verstehen – nicht, um sich ihren Regeln zu unterwerfen. (ms)

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