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Neue Bücher über «Schweizer Sklavenhändler»

Hans Fässler, Reise in Schwarz-Weiss: Schweizer Ortstermine in Sachen Sklaverei. Rotpunktverlag: Zürich, 2005

Thomas David, Bouda Etemad, Janick Marina Schaufelbuehl: Schwarze Geschäfte. Die Beteiligung von Schweizern an Sklaverei und Sklavenhandel im 18. und 19. Jahrhundert, Limmat Verlag: Zürich, 2005

Zwei neue Bücher befassen sich mit Schweizer Unternehmerfamilien, die aufgrund der ausgewerteten Dokumente in den Sklavenhandel involviert waren. An den Tatsachen ist wohl kaum etwas zu rütteln. Aber sind diese Anklagen wirtschaftshistorisch gerechtfertigt? Sie basieren jedenfalls auf einer unzulässig moralisierenden ex-post-Betrachtungsweise, die historische Sachverhalte an heutigen Wertvorstellungen misst und den damaligen Akteuren Handlungsspielräume einräumt, die sie realistischerweise gar nicht hatten. Zudem erliegen die Ankläger dem weit verbreiteten Fehlschluss, dass die Händler gleichzeitig für alle mit Angebot und Nachfrage verknüpften Probleme verantwortlich seien, ein Irrtum, der auch an der Wurzel der antijüdischen und antibritischen Händlerverachtung liegt, die vor allem unter den deutschen und französischen Intellektuellen ihre Sumpfblüten trieb und immer noch treibt. Aus dieser Sicht sind alle Händler Profiteure des Mangels und der Not, und nichts als egoistische, ehrlose Blutsauger.

Wenn es im Zusammenhang mit der Sklaverei kein in Afrika selbst geschaffenes Angebot gegeben hätte und in den amerikanischen Plantagen keine Nachfrage, dann hätte es auch keinen Sklavenhandel gegeben. Der Handel schafft selbst keine Probleme, er bewirtschaftet sie, und die Meinung, es gäbe diese Probleme ohne bestimmte Händler nicht, ist wirtschaftshistorisch ziemlich naiv. Der Sklavenhandel begann meines Wissens auf der Angebotsseite, das heisst mit einem Paradigmenwechsel in Afrika. Die Stammesfehden endeten während Jahrhunderten mit der physischen Vernichtung der Besiegten. Und für diese ewigen Stammesfehden kann man nun wirklich weder die Händler im fernen Europa noch die Plantagenbesitzer in Amerika verantwortlich machen, denn es gab sie schon vor der Kolonialzeit. Schliesslich verbündeten sich die Stammeskrieger mit (meist arabischen) Zwischenhändlern, und die Besiegten wurden nicht mehr umgebracht, sondern als Sklaven verkauft. Das Geld war den Kriegern auf der Siegerseite wichtiger als die Befriedigung beim Töten, und durch den Verkauf wurde die potentielle Rache der Besiegten ebenso wirksam verhindert wie durch die physische Vernichtung. Dass der Anreiz zum Verkauf gegenüber dem Anreiz zur physischen Vernichtung obsiegte, ist ein zivilisatorischer Entwicklungsschritt, über dessen Stellenwert für die Betroffenen (als Alternative zum Getötetwerden oder zu einem Sklavendasein innerhalb Afrikas) man diskutieren kann. «Etwas besseres als den Tod findest Du überall», heisst es in den «Bremer Stadtmusikanten», und das kontrastiert mit dem Schillerschen Pathos «Eher den Tod, als in der Knechtschaft leben». Dass später auch eigentliche Kriege mit dem alleinigen Ziel der «Sklavenjagd» geführt worden sind, ist ebenfalls historisch belegt, die Verantwortung dafür kann aber nicht allein den europäischen Sklavenhändlern zur Last gelegt werden. Die abscheulichen und menschenverachtenden Seiten der Sklaverei sind unbestreitbar und bilden ein dunkles Kapitel der Menschheitsgeschichte, in der der Sklavenhandel zwischen Afrika und Amerika ein besonderer Schandfleck ist. Welche Rolle der Übergang vom Vernichtungstrieb zum Verkaufstrieb in dem seit Jahrhunderten von Stammesfehden und -kriegen heimgesuchten Afrika spielte, bleibe dahingestellt. Die Sklaverei ist jedenfalls keine Erfindung der Kolonialmächte und der Sklavenhändler, sie beruht unter anderem auf einem brutalen Machtmissbrauch des Siegers gegenüber den Besiegten, der in verschiedensten Kulturen beziehungsweise Unkulturen immer wieder stattgefunden hat.

Die gesinnungsethische These einer menschheitsgeschichtlichen Mitschuld der Schweizer Kaufleute am Phänomen der Sklaverei ist daher reichlich konstruiert. Es stellt sich schon eher die verantwortungsethische Frage, wie viel zusätzliches Elend es in der Schweiz ohne diese Unternehmer gegeben hätte. Auswanderung und Hungersnöte waren damals in der Schweiz an der Tagesordnung, und der aufkeimende Kapitalismus sorgte zwar nicht für einen raschen, gerechten Ausgleich, aber – statistisch nachweisbar – für eine Anhebung des Lebensstandards und der Lebenserwartung für alle, auch für die Ärmsten. Dass dies zu Lasten von ausgebeuteten Sklaven erfolgte, die aus einem afrikanischen Paradies in eine amerikanische Hölle deportiert wurden, ist eine ähnlich abenteuerliche, schrecklich vereinfachende These wie die Behauptung, die Prosperität der Industrieländer basiere allein auf der Ausbeutung der Dritten Welt.

Jeder Handel bewirtschaftet letztlich ein mit der jeweils aktuellen Realität verwobenes Netzwerk, das heisst er ist über den Geldkreislauf stets mit allen Übeln und Wohltaten der Welt irgendwie verknüpft. Der Verbandstoffhändler ist möglicherweise nicht weniger in einen Krieg verwickelt als der Waffenhändler, und wer analysiert, mit welchem Geld Kathedralen finanziert wurden, wird auch dort viel Schmutziges und Kriegerisches finden. Kurz: die Geschichte des Handels und Gewerbes ist ein ideales Tummelfeld für Historiker, die nachträglich beweisen wollen, dass ausser den Armen und ihnen selbst, die darüber berichten, eigentlich alle Menschen, die irgendwo mit Geld zu tun hatten und Geld verdienten, letztlich Halunken gewesen seien. Wirtschaft und Handel werden aus dieser Sicht zum grossen kulturvernichtenden Betrug, zur schmutzigen Befriedigung der Profitgier in einer kapitalistischen Ausbeutungsmaschinerie, und die ganze Weltgeschichte wird zur Verschwörung der Mächtigen gegen die Ohnmächtigen, der Sklavenhalter und Sklavenhändler gegen die Sklaven. Diese Betrachtungsweise ist wohl definitiv zu eindimensional. Es gibt aber offenbar bei der Leserschaft eine Nachfrage nach solchen Enthüllungs- und Anklagebüchern – eine neue Nische für historische Literatur. Das Gefühl, «auch wir sind mitschuldig und auch wir sind kein Sonderfall» lässt sich gut vermarkten, vor allem wenn man gleichzeitig auch noch den Groll und den Neid gegenüber reichen Unternehmerfamilien etwas schüren kann: Geschichte als Suche nach den Schuldigen, als Anklage und Selbstanklage, bei der die Autorinnen und Autoren stets genau wissen, wer die «Guten» und wer die «Bösen» waren und wie es ausgegangen wäre, wenn es weniger «Böse» gegeben hätte.

besprochen von Robert Nef.

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