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Nein, Kühe sind keine Klimakiller
Bild: Unsplash/@jkalina.

Nein, Kühe sind keine Klimakiller

Wer Fleischverzicht zur Rettung des Planeten propagiert, macht einen Denkfehler.

Das Praktische am Klimawandel ist, dass man mit ihm alles miesmachen kann, was man selbst nicht mag. Gruppen, die ihre Machtinteressen ohne argumentativen Ballast durchsetzen wollen, sind gut beraten, anderen beim Erstschlag mit der Klimakeule zuvorzukommen und so oft auf das Opfer einzuschlagen, dass jeglicher Widerstand zwecklos wird.

Bereits 1971 hatte Frances Moore Lappés Bestseller «Diet for a Small Planet» den Vegetarismus als einzigen Weg zur ökologischen Rettung des Planeten propagiert. Daran konnten Tierrechtsaktivisten wie der Bioethiker Peter Singer bruchlos anknüpfen, während die Milch- und Fleischwirtschaft noch in seliger Selbstgefälligkeit vor sich hinwirtschaftete.

Als Resultat steht nun die Landwirtschaft einschliesslich der Viehhaltung unhinterfragt als Klimakiller da, obwohl sie der einzige bedeutende Wirtschaftszweig ist, der Treibhausgase nicht nur emittiert, sondern auch bindet. Dass es die moderne, konventionelle Landwirtschaft und nicht der Ökolandbau ist, der die Ernten sichert und Milliarden Menschen zuverlässig sättigt, scheint niemanden mehr zu interessieren.

«Dass es die moderne, konventionelle Landwirtschaft und nicht

der Ökolandbau ist, der die Ernten sichert und Milliarden Menschen

zuverlässig sättigt, scheint niemanden mehr zu interessieren.»

Besonders schlimm fürs Klima sollen ausgerechnet die Wiederkäuer sein. Martin Luther fragte seine Gäste an der Tafel noch besorgt: «Warum rülpset und furzet ihr nicht? Hat es euch nicht geschmecket?» Heute werden Rinder, Schafe und Ziegen wegen ihrer ungenierten Rülpserei an den Klimapranger gestellt. Zu viel Methan! Weg mit dem Vieh!

In Irland erwog die Regierung bereits, 200 000 Rinder zu schlachten, um den Klimagott zu besänftigen. Die Rinderhalter sollten 3000 Euro pro geschlachtetes Vieh erhalten. Die dänische Regierung ist stolz darauf, als erstes Land eine direkte Treibhausgassteuer für die Haltung von Nutztieren einzuführen. Etwa hundert Städte haben sich weltweit im Rahmen der UNO-Agenda 2030 zur «C-40-Gruppe» zusammengeschlossen, um der Klimakrise entgegenzuwirken. Zu den ehrgeizigen Zielen gehört ein Nullkonsum von Fleisch und Milchprodukten bis 2030.

Streamen statt essen?

Ein bisschen Recherche ergibt indes, dass die Food and Agriculture Organization der Vereinten Nationen in ihrem Werk «Livestock in the Balance» die Rinderhaltung für vier Prozent der globalen Emissionen verantwortlich macht. Das entspricht dem, was auch der Digitalisierung zugerechnet wird. Besonders stark schlägt hierbei das Streaming von Videos zu Buche.

Nur in einem Paralleluniversum, wo das Essen im veganen Bioladen per Urzeugung entsteht, ist Netflix-Schauen wichtiger als die Produktion hochwertiger Nahrung. Gibt es aber Initiativen, das Streaming zu verbieten? Gibt es Musterstädte, welche die Digitalisierung bis 2030 auf null reduzieren wollen?

Das ist kein «Whataboutism», sondern ein dezenter Hinweis darauf, dass in der Klimafrage falsche Prioritäten gesetzt werden könnten. Die Behauptung, dass domestizierte Wiederkäuer klimaschädlich seien, entbehrt jeglichen Beweises und zudem jeglicher Plausibilität. Das Methan des Viehs kann chemisch nicht vom Methan aus anderen Quellen unterschieden werden, deshalb ist durch direkte Messung hier nichts zu beweisen oder zu widerlegen. Methan verbleibt zudem viel kürzer in der Atmosphäre als Kohlendioxid, seine Klimawirkung wurde in der Vergangenheit um das Drei- bis Vierfache überschätzt.

Statt sich in Modellrechnungen zu verlieren, sollte man den Verstand einschalten. Wo befinden sich die grössten Rinderherden? In Brasilien. Ist dort die Methankonzentration in der Atmosphäre besonders hoch? Nein. Sie ist dort am höchsten, wo Erdgas produziert wird und Pipelines verlaufen. Sie ist auch hoch in den Tropenwäldern im Kongobecken und am Amazonas. Denn Methan entsteht nicht etwa nur ohne Luftsauerstoff, sondern wird von den Pflanzen selbst produziert.

Der Schuss geht nach hinten los

Es sei daran erinnert, dass bereits vor Erfindung der Viehzucht grosse Pflanzenfresser den Planeten bevölkerten und entsprechend viel Methan ausgasten. Man denke nur an die Megafauna mit gigantischen Pflanzenfressern. Diese sind durch die domestizierten Arten ersetzt worden. Nähme man Letztere weg, würden wilde Varianten an ihre Stelle treten.

«Bereits vor der Erfindung der Viehzucht bevölkerten grosse

Pflanzenfresser den Planeten und gasten entsprechend viel Methan aus.»

In der Serengeti zum Beispiel sind nach dem Wegfall der Viehhaltung ab den 1950er-Jahren die Populationen wilder Wiederkäuer explodiert, sodass dort weit mehr «Methanschleudern» unterwegs sind als vorher. Der Schuss ging also nach hinten los und könnte auch global nach hinten losgehen. Gibt es genügend Prädatoren, stehen wilde Herden dichter gedrängt als das Weidevieh und formieren sich von selbst zur «Massentierhaltung». Laut dem Biologen Allan Savory wäre das Management dicht gedrängter Nutzviehherden die Lösung des Klima- und des Ernährungsproblems. Dafür müsste der Viehbesatz allerdings insgesamt um 400 Prozent steigen! Kein Wunder, dass Savory bei den Vegetariern als Inkarnation des Bösen gilt und zugleich verspottet wird, obwohl er vom Klimawandel restlos überzeugt ist.

Schweizer Kühe sind ohnehin die reinsten Unschuldslämmer. Ihr Bestand ist in den letzten acht Jahrzehnten von 900 000 auf etwa 680 000 gesunken. Warum ausgerechnet sie die Temperaturen nach oben getrieben haben sollen, wissen allein die Götter. Von der landwirtschaftlichen Nutzfläche der Schweiz werden in Tälern 54 Prozent und in Berggebieten 94 Prozent als Wiesen und Weiden genutzt. Aus dem unverdaulichen Gras machen die Schweizer mit ihrem Vieh seit Jahrtausenden hochwertige, wohlschmeckende Nahrung in Form von Fleisch und Milchprodukten.

Wer glaubt, die Schweizer seien über Jahrtausende hinweg zu dumm gewesen, um das Richtige zu tun, sollte sich künftig von dem ernähren, was Wolf und Bär übriglassen, nachdem sie das Weidevieh verputzt und die Weidetierhalter vertrieben haben. Vielleicht wird man dann lernen, dass man von Killerphrasen nicht satt wird.

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