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Nationbuilding in Afghanistan

Die Abkehnung der Ausländer nimmt zu

Seit dem offiziellen Ende der Operation «Enduring Freedom» am 7. Dezember 2001 und der Einsetzung der Regierung von Hamed Karzai ist über die Lage in Afghanistan viel berichtet worden. Ein grosser Teil dieser Berichte ist aber von Widersprüchlichkeit gekennzeichnet. Dazu gehört auch die Berichterstattung über das Nationbuilding, also den sogenannten Wiederaufbau des Landes. Diese Widersprüchlichkeit kann nur aufgrund verstärkter und wiederkehrender Kontakte mit den heutigen Entscheidungsträgern und den Mujaheddin in Afghanistan aufgedeckt werden, die gegen die Sowjets in den achtziger und gegen die Taliban in den neunziger Jahren gekämpft haben.

Eine Reise vor Ort lässt schnell erkennen, dass die Hauptstadt Kabul, als Folge des Bürgerkrieges von 1993/94, immer noch zur Hälfte zerstört ist und keine Schritte zur Beseitigung des Schutts unternommen werden. Weitere Probleme werden sichtbar, so die nur zum Teil vorhandene Wasserversorgung und der katastrophale Zustand des Gesundheitswesens. Gleichzeitig nimmt im Osten und Süden des Landes der Anbau von Schlafmohn und damit die Produktion von Heroin zu. Ein weiteres, ernsthaftes Problem ist die fehlende soziale Absicherung der Flüchtlinge und der Kriegswitwen im ganzen Land.

Positiv ist aber der Wiederaufbau der Universität und das hektische Geschäftstreiben in Kabul zu vermerken, sowie die Elektrizitätsversorgung der Stadt. Zu den erfreulichen Punkten im Lande gehört auch die blühende Stadt Herat im Westen, die unter der Herrschaft von Amir Ismael Khan gedeiht und als äusserst sicher zu beurteilen ist. Dem Amir wird zum Dank dafür in den amerikanischen Medien seine angebliche Frauenfeindlichkeit vorgeworfen. Merkwürdigerweise sind aber 40 Prozent der eingeschriebenen Hörer an der Universität Herat Frauen. Offensichtlich ist der Wiederaufbau des Landes dort gewährleistet, wo der Wille und die Initiative der einfachen Afghanen bestimmend sind.

Dagegen ist in jenen Bereichen, für die die Regierung verantwortlich ist, wenig zu vermerken. Diese hat im Land keine Machtbasis und wird durch Afghanen, die beinahe ihr ganzes Leben in den USA verbracht haben, dominiert. Des weiteren wird die Regierung durch amerikanische «Spezialisten» direkt beraten. Gleichzeitig wurde aber der Polizeichef Afghanistans, General Jurat, der bis vor kurzem gezielt gegen die Drogenhändler vorging, durch diese Regierung kaltgestellt und seines Postens enthoben.

Was die ausländische Hilfe betrifft, so sind vor allem die teuren Landcruiser ihrer Vertreter sehr auffällig. Das Auftreten dieser Helfer, der ausländischen Berater, der US-Afghanen und die Operationen der US-Streitkräfte hat bisher wenig Positives erbracht. Im Gegenteil, die Ablehnung der Mujaheddin und der einfachen Afghanen gegenüber den Ausländern dürfte inskünftig zunehmen.

Afghanistan wurde noch 2002 als ein Beispiel des westlichen Nationbuilding gepriesen. Ein Besuch 2003 lässt aber nur den einen Schluss zu, dass dieser Wiederaufbau erst eingesetzt hat. Wird die gegenwärtige US-Politik gegenüber diesem Land nicht im Sinne einer Nichteinmischung geändert, dann wird in einigen Jahren das Projekt des Nationbuilding als gescheitert bezeichnet werden müssen.

Albert A. Stahel, geb. 1943, ist Dozent an der Militärischen Führungsschule

Au/ZH für Strategische Studien und Titularprofessor an der Universität Zürich.

Er ist Mitglied des International Institute for Strategic Studies in London.

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