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Nährboden des Terrors

Nährboden des Terrors

Elham Manea: The Perils of Nonviolent Islamism.

 

Jedes Mal, wenn in einem westlichen Land ein islamistischer Anschlag verübt wird, folgt eine Phase allgemeiner Beschwichtigung. Politisch, medial wie wissenschaftlich wird wechselseitig beteuert, dass die Taten nicht aus dem Islam resultierten, weil die Täter fehlgeleitete junge Männer seien, die diese Religion für ihre Zwecke missbrauchten. Weiträumig ausgespart wird dabei in der Regel die Beschäftigung mit dem, was der Gewalt unmittelbar vorausgeht: nämlich mit dem Islamismus, der seit der Islamischen Revolution im Iran 1978/79 ideologisch, gesellschaftlich und militärisch zu einem globalen Faktor aufgestiegen ist. Auf die Zäsur der Anschläge vom 11. September 2001 folgten Massenmorde in Moskau, Beslan, Paris, Nizza, Brüssel, Berlin oder London, die von zahlreichen kleineren, aber nicht minder grausamen Attacken in europäischen Städten begleitet wurden, 2020 etwa die barbarische Enthauptung des französischen Geschichtslehrers Samuel Paty. Die im Rest der Welt verübten Anschläge – ob in Nigeria, Afghanistan, Pakistan, Indien, auf Sri Lanka oder auf den Philippinen – belegen unmissverständlich, womit man es zu tun hat. Der Wunsch, sich mit dem ideologischen Hintergrund zu befassen, bleibt nichtsdestotrotz auffallend schwach ausgeprägt.

Über das zu sprechen, was in der Regel nicht interessiert, ist Ausgangspunkt von Elham Maneas Überlegungen. Sie widmet sich den Säulen des gewaltfreien Islamismus – dem also, was jenen Anschlägen nicht nur vorangeht, sondern diese im Wortsinn trägt. Die Abhandlung der Zürcher Islamwissenschafterin zur taktischen Unterwanderung westlicher Demokratien durch ideologische Wegbereiter späterer Attentate basiert u.a. auf Fallstudien, Interviews und jahrzehntelanger Feldforschung in mehreren Ländern, aber auch auf persönlichen Erfahrungen. Sie zeigt, dass sich beharrliche Missverständnisse über den Terrorismus nur beseitigen lassen, wenn der Vorlauf der Gewalt ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt wird und irrige Vorstellungen korrigiert werden. Während Politik und Journalismus beispielsweise den verharmlosenden Begriff «Parallelgesellschaften» für jene Areale bemühen, die den Jihadismus im Westen gedeihen lassen, während angesichts der strikten Abschottung mindestens von «Gegengesellschaften» die Rede sein sollte, spricht Manea weitaus treffender von «geschlossenen Gemeinschaften». Dass in Europa eine jihadistische Generation heranwachsen konnte, die dann u. a. ins IS-Terrorkalifat pilgerte, ist, wie die Autorin zeigt, Resultat einer schrittweisen sozialen Abriegelung, die damit gerechtfertigt wird, dass nur eine Auslegung des Korans zulässig sei. Dieser Anspruch des islamistischen Spektrums zieht dann eine ganze Kette an Forderungen nach sich, die hier trefflich als «Politik der Differenz» bezeichnet werden, weil an ihrem Ende eine monokulturelle Gemeinschaft steht.

Zuverlässig rüttelt Manea am Gewissen der Gutmeinenden: «Ob es Ihnen gefällt oder nicht, das Kopftuch ist politisch», heisst es etwa an einer Stelle. Insbesondere den angeblich «gendersensiblen» Ideologinnen der Gegenwart, die tatsächlich linke Rassistinnen sind, weil sie Mädchen aus moslemischen Familien mit deren «Kultur» identifizieren, sei diese Einsicht als Einstiegslektion in einen Sachverhalt empfohlen, dessen Bestandsaufnahme und Kritik viel zu lange und mit gesellschaftspolitisch fatalen Konsequenzen den Falschen überlassen worden ist.


Elham Manea: The Perils of Nonviolent Islamism. New York: Telos Press, 2021.

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