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Nacht des Monats
mit
Bendrit Bajra

Nacht des Monats  mit  Bendrit Bajra

Bendrit Bajra besitzt zwei BMWs, einen M6 und einen X6, aber mich holt er «leider imene hyundai» ab, wie er mir auf WhatsApp schreibt. Es ist Dienstagabend, wir fahren auf der Autobahn in Richtung Westen, direkt hinein in den Sonnenuntergang. Im Zürcher Vorort Schlieren geht’s nach links zu «Rolli’s Steakhouse», wir parken im Hinterhof. Der Geschäftsführer und die Bedienung begrüssen ihn herzlich, als er kommt. «Ich bin etwa einmal die Woche hier», sagt Bendrit erklärend, «meistens nehme ich das 350-Gramm-Rindsfilet.» Ich schliesse mich an: zweimal das US-Rindsfilet spezial also, «Rollis Klassiker Nr. 1 nach Mass».

Bendrit ist 22 und wohnt zusammen mit seiner Schwester, seinem Vater (Abteilungsleiter im Coop-Verteilzentrum) und seiner Mutter (Leiterin Reinigungskräfte im Prime Tower) in Zürich-Schwamendingen. Hier wegziehen? «Ich könnte nie aus Schwamendingen raus!», ruft er mit Inbrunst. «Alle meine Cousins sind hier, alle meine Erinnerungen!» Seine Familie ist aus dem Kosovo geflohen und von der Schweiz aufgenommen worden, dafür seien sie alle dankbar. «Früher habe ich nicht verstanden, wieso mich meine Eltern immer wieder an diese Dankbarkeit erinnert haben, heute aber schon.

Ich fahre gerne in den Kosovo in die Ferien, aber alles in allem bin ich schon sehr froh, hier zu leben und nicht dort.» In vielen Dingen sei die Schweiz doch weit voraus. Er erzählt mir von Schlaglöchern im Kosovo, die jedes Jahr grösser würden, und von kaputten Schulen: mit vierzig Schülern in einem kleinen Klassenzimmer, die Hälfte der Fenster kaputt und die Wandtafel von 1920, könne man doch nichts lernen. «Für Flüchtlinge und Ausländer, die sich in der Schweiz nicht korrekt verhalten und kriminell werden, habe ich kein Verständnis. Mal ehrlich: wenn ein Schweizer im Kosovo etwas anstellt, kommt er viel härter dran als die.»

Bekannt (und reich) geworden ist er mit kurzen Videos, die den Unterschied zwischen Schweizern und Ausländern auf unterhaltsame Weise darstellen, fast 70 von ihnen hat er erstellt und auf Facebook geteilt, mehr als 200 000 Personen haben ihn dort abonniert. Wie perfekt er es hinkriegt, die Sprechweise von Schweizer Eltern zu imitieren und zu persiflieren, ist faszinierend. Gelernt hat er das von seinen Schweizer Freunden: «In Schwamendingen hatten wir nur wenige Schweizer. Ich war aber nie der Typ, der nur mit Albanern herumhängt, einer meiner besten Freunde ist Serbe.» Bei Volksabstimmungen beteiligt sich der Schweizer Bürger Bajra aber kaum je, ausser ihn interessiert das Thema: bei der Durchsetzungsinitiative etwa stimmte er mit «Nein». Kürzlich hat er den Waffenschein gemacht, und irgendwann mal will er sich eine Glock 19 kaufen. Er könne sich gut vorstellen, dem lokalen Schützenverein beizutreten – der Schiessverein Hirslanden-Riesbach wäre tatsächlich gleich neben seinem Wohnort.

«Ich muss jetzt mal meinen Gürtel aufmachen», stöhnt Bendrit nun, der gerne kokettiert mit seinem (leichten) Übergewicht. Von 19 bis 22 habe er nur Party gemacht und jeweils bis zum Mittag geschlafen. Seit einiger Zeit aber arbeitet er Vollzeit in einer Garage in Wohlen, fast das erste Mal wieder seit seiner Lehre bei der AMAG in Buchs bei Regensdorf. Zum Job bei Car Trade 24 ist er gekommen, weil er sein zweites Auto kaufen wollte und ihn der Chef fragte, ob er nicht bei ihm einsteigen wolle.

Mittlerweile sei das Arbeiten in dieser Firma fast zu einer Sucht geworden, er habe viele Freiheiten, die Mitarbeiter seien super, das Verkaufen mache ihm grosse Freude und auch die Kunden merkten, wie gross seine Leidenschaft für Autos sei: «Unser Ziel ist es, dass ich 2019 der erfolgreichste Autoverkäufer der Schweiz werde. Wenn ich dreihundert Autos verkaufe im Jahr, so haben wir ausgerechnet, schaffe ich das.» Als Autoverkäufer ist er mit Sicherheit ein Glücksfall, aber auch als Stand-up-Comedian und als Schauspieler in der Schweizer Filmkomödie «Flitzer» brillierte er. Schwamendingen, Wohlen, Schlieren – die Schweiz, in der sich Bendrit bewegt, wird von den etablierten Medien kaum je beachtet. Zu Unrecht, denn wenn sich dort nur eine Handvoll weitere Talente wie er verstecken, möchte man sie dringend kennenlernen.

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