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Nacht des Monats mit  Menderes Bağcı
«Ninja» Menderes pröbelt schon mal am Seil rum, fotografiert von Lukas Rühli.

Nacht des Monats mit
Menderes Bağcı

Ein Dschungelkönig hangelt sich als Ninja von Seil zu Seil.

Sie kennen Menderes Bağcı, geboren am 13.11.1984 im rheinischen Langenfeld, möglicherweise nicht. Doch Menderes ist ein Star, König, Sympathieträger und: ein wandelnder Widerspruch. Im Rahmen der Aufzeichnung des Promi-Specials von Ninja Warrior Switzerland, das Ende Oktober auf TV24 ausgestrahlt wird, ist er als Teilnehmer geladen, deutscher Stargast sozusagen, ich, nun ja, als Journalist. Sobald wir uns im Zürcher Hallenstadion gefunden haben, legt er – ohne eine Frage abzuwarten – los, über die Kompatibilität seiner Fähigkeiten mit den Hindernissen im Ninjaparcours, ohne Punkt und Komma: Er sei gar nicht wirklich fit – Oberarmkraft am wichtigsten! – habe er aber nicht – er trainiere auch gar nicht – kein Bodybuilding – bloss vor 16 Jahren mal ein wenig – aber vielleicht gut so, denn muskulöse Typen hätten mehr mit sich rumzutragen – Ausdauer gut – rennen könne er. (Leider wird im Parcours viel gehangelt und wenig gerannt.)

Menderes nahm 2002 an der ersten Ausgabe von «Deutschland sucht den Superstar» teil und scheiterte mit Pauken und Trompeten, oder eher: wegen seiner nasalen, quäkenden Stimme und weil er zu wenige Töne traf. Er war einer dieser Kandidaten, die RTL nur ins Casting holt, um sie blosszustellen. Doch er liess sich davon nicht entmutigen. Er kam 2003 wieder. Und 2004. Und in jedem einzelnen Jahr bis 2017. Menderes verbesserte ­seinen Gesang über die Jahre deutlich – zweimal erreichte er ­sogar den Auslandsrecall der besten 25 – und wurde langsam Kult. 2016 nahm er an «Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!» teil, einem anderen zweifelhaften RTL-Sendeformat, in dem vom (weiteren) Abstieg bedrohte C-Promis versuchen, sich durch ­einen gemeinsamen zweiwöchigen Aufenthalt im australischen Dschungel wieder etwas in die Wahrnehmung der Öffentlichkeit zu bringen. Und Menderes schaffte, was vor ihm noch keinem ­gelang: Er rückte das Dschungelcamp in ein gutes Licht. Er erwies sich dem Publikum als feinfühliger, grüblerischer Mensch, hielt sich aus Lästereien raus, war respektvoll, freundlich, aber auch durchhaltestark und mutig. Und: ihn umgab fast permanent eine berührende Melancholie. Am Schluss wählten ihn 81 Prozent der Zuschauer zum Dschungelkönig.

So freimütig, wie er im Camp preisgab, er sei noch Jungfrau, so offen und ohne jeglichen Selbstschutz spricht er zu mir: Nein, er habe sich damals, 2002, keine Gedanken zu seinen ­Gesangskünsten gemacht. «Ich dachte, jeder könne singen. Und ich sang gerne. Ich dachte, das sei bloss eine Frage des Wollens. Also ging ich an dieses Casting. Denn ich wollte singen. Vor ­Publikum.» Was er hingegen nicht wollte: berühmt werden. «Es ist mir unangenehm, wenn Leute Fotos mit mir machen wollen. Das ist ja nur oberflächlich; die Leute interessieren sich nicht wirklich für mich. Das ist alles nur Show.» Das ist einer dieser verblüffenden Widersprüche: Jemand, der Berühmtheit nur als notwendiges Übel akzeptiert, meldet sich bei einem Casting-­Format an, das vom Prinzip Medienpräsenz lebt.

Geprägt ist Menderes’ Wesen – wie er selbst betont – von seiner Darmerkrankung Colitis ulcerosa. In akuten Phasen zwang ihn diese in soziale Isolation. «Daran gewöhnt man sich psychisch. Gewisse Verhaltensmuster haben sich in meinem Kopf verankert. Die kann ich nicht mehr ablegen, obwohl es mir derzeit besser geht.» Nun würde man von so einem Menschen vielleicht Musik im Stil des elegischen «Creep» der Alternative-Rock-Band Radiohead erwarten. Von Menderes bekommt man «Schakalaka Eyo» und «Wir feiern den Sommer» – zwei lupenreine Ballermannsongs.

Dass man ihn oft auf sein Alleinsein anspricht, stört Menderes: «Vielleicht gibt es einfach Menschen, die dafür gemacht sind, alleine zu sein. Vielleicht ist das sogar eine Stärke. Ich komme mit mir selbst am besten klar. Es gibt Leute, die wollen eine Freundin, bloss damit sie nicht allein sind. Die würde ich gerne fragen: ‹Wieso hab’ ich ein Problem? Du kommst allein nicht klar. Du hast ein Problem!›» Drei Minuten später sagt ­derselbe Menderes: «Ich will weiter Partymusik machen, in ­Discotheken auftreten», und fügt an: «Ich hoffe, die Gesundheit macht mir keinen Strich durch die Rechnung.»

Das wünsche ich ihm auch. Er soll sich auch weiterhin nicht von Leuten einschüchtern lassen, die sich aus der Perspektive ihrer geregelten kleinen Welt am Kopf kratzen und fragen: «Was soll das?» In diesem Sinne, lieber Menderes: Live long and prosper!

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