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Nacht des Monats mit Komiker Kiko
Komiker Kiko hinter der Bühne der Turnhalle in Beringen, fotografiert von Lukas Leuzinger.

Nacht des Monats mit Komiker Kiko

Lukas Leuzinger begleitet Komiker Kiko in die Schaffhauser Provinz.

Samstagabend in Beringen im Kanton Schaffhausen, 5000 Einwohner. Die freiwillige Feuerwehr hat ihre Jahreshauptübung hinter sich. Rund 100 Mitglieder des Wehrdienstverbands Oberklettgau geniessen in der Turnhalle des Schulhauses das verdiente Abendessen und warten auf die Ziehung der Tombola. Kiko sitzt in der Garderobe, eine Dose Mate-Drink in der Hand, vor sich einen Teller mit Braten, Spätzli und Gemüse, und wartet auf seinen Auftritt. «Ich mag die Leute auf dem Land lieber als in der Stadt», sagt er. «Sie verstehen mich und lachen auch einmal frei heraus, statt sich zuerst zu fragen: Darf man das sagen?» Heute lebt Komiker Kiko zwar in Zürich. Aufgewachsen ist er aber in Hefenhofen in der tiefsten Thurgauer Provinz, später zog er nach St. Gallen. Der Ostschweizer Hintergrund lässt sich an seinem Dialekt unschwer erkennen.

Er mag solche Auftritte, denn sie sind anspruchsvoller als Shows, bei denen die Leute Eintritt bezahlen, um Comedy zu sehen. Hier muss man sich auf das Publikum einstellen können. Und das gelingt Kiko spielend, weil er authentisch auftritt. «Ich bin auf der Bühne der gleiche Kiko wie daneben», sagt er. Lampenfieber ist ihm fremd: Fünf Minuten vor seiner Show blödelt der 38-Jährige herum und plaudert entspannt über seine Lebensgeschichte.

Frank Cabrera Hernandez, wie er mit bürgerlichem Namen heisst, zog als 6-Jähriger mit seiner Familie aus der Dominikanischen Republik in die Schweiz. «Wenn die Leute mich fragen, wie ich hierhergekommen bin, stellen sie sich vor, dass ich mit dem Boot oder in einem Lastwagen gereist bin», wird er später auf der Bühne sagen. «Ich nicht so: Nein, Business Class, mit Tomatensaft und so. Wenn ich die Bilder von Flüchtlingen heute sehe, denke ich: Das wäre mir zu anstrengend.»

Schnell wird klar: Politische Korrektheit ist seine Sache nicht. Vor drei Jahren sorgte er mit einem Auftritt in der «Arena» von SRF für Aufsehen. Dass er als Dunkelhäutiger nicht die erwartete Rolle des Opfers einnahm, trug ihm heftige Kritik ein. Antirassismusaktivisten sahen in ihm einen Verräter; als einziger Schwarzer wurde er nicht in die Fortsetzungssendung eingeladen.

Darüber kann er heute nur den Kopf schütteln. Den Rassismusdiskurs der selbsternannten Progressiven hält er für selbstgerecht, er fokussiere auf die falschen Themen: «Ich habe noch nie einen Schwarzen gesehen, der sich daran stört, wenn Weisse Rastas tragen – noch nie», sagt er. Auch für symbolische Aktionen wie die Verbannung von Mohrenköpfen aus Supermarktregalen hat er kein Verständnis. «Das bringt doch nichts, im Gegenteil. Damit macht man Leute hässig, die sich nichts Böses gedacht haben. Da wurden alte Damen angeschwärzt, weil sie in ihrem Laden Mohrenköpfe verkaufen!» Dabei hat er durchaus Erfahrungen mit Rassismus gemacht. Er habe in seiner Jugend «einigen Scheiss erlebt», wie er es ausdrückt. Heute erfahre er aber in der Stadt mehr Diskriminierung als auf dem Land, weil sein Programm nicht ins Konzept der urbanen Comedy-Szene passe.

Trotz allem hat er sich nie davon abhalten lassen, seinen Weg zu gehen. Nach der Real- und Sekundarschule machte er eine kaufmännische Ausbildung mit Berufsmittelschulabschluss. Danach verdiente er seinen Lebensunterhalt als Rapper, handelte mit CBD-Hanf, verkaufte Schweizer Uhren in Hongkong und managte mit seinem Bruder die jamaikanische Bobmannschaft an den Olympischen Winterspielen in Sotschi 2014. Zur Comedy kam er zufällig, als ihn ein Bekannter auf eine Open-Mic-Veranstaltung aufmerksam machte. «Ich habe nie Pläne gehabt in meinem Leben», sagt er, «sondern bin immer nur irgendwie ein Stück weitergefallen.»

Inzwischen veranstaltet er selber eine wöchentliche Open-Mic-Show in Zürich. Daneben rappt er weiterhin: «Ein Ziel habe ich noch: eine goldene Schallplatte zu gewinnen.»

Nach dem Ende seines Auftritts geht Kiko von Tisch zu Tisch, bedankt sich, redet mit den Leuten und posiert für Fotos. Dann verabschiedet er sich, steigt ins Auto und macht sich auf den Weg in die Ostschweiz.

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