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Nacht des Monats  mit Gabriel Vetter
Gabriel Vetter, fotografiert von Ronnie Grob.

Nacht des Monats
mit Gabriel Vetter

Gabriel Vetter holt mich in Basel am Bahnhof ab. Wir machen uns gleich auf ins Château Lapin, das Restaurant Hasenburg, und bestellen Läberli, Gschnetzlets und Röschti. In die Kleinkunstszene sei er nach und nach hineingerutscht, erzählt Vetter, der derzeit mit seinem Stand-up-Comedy-Programm «Hobby» in den Kellertheatern des Landes unterwegs ist. Beworben wird es mit der Aussage, bei ihm entstehe die Komik, wenn es unangenehm werde. Tatsächlich, so Vetter, versuche er in seinen Shows Situationen zu schaffen, die Irritationen auslösten, also das Publikum kurzzeitig genuin ratlos machten: «So ist, für einen kurzen Moment, echte Kommunikation möglich. Mir geht es nicht um Irritation der Irritation oder des Effekts willen, sondern um den Reiz, hundert Hirne in einem Saal kurz anzuhalten.» Die Beantwortung der Frage, wie es von diesem Punkt aus weitergehe, sei dann die hohe Kunst, wie sie etwa Friedrich Dürrenmatt herausragend beherrscht habe. Wie ist es so weit gekommen? Es war vor 14 Jahren, als ein 21-Jähriger aus Beggingen (Schaffhausen) als Slam-Poet durch Deutschland tourte, die deutschsprachigen Poetry-Slam-Meisterschaften gewann und kurz danach auch noch den renommierten Kabarettpreis Salzburger Stier. Nach Studien (Theaterwissenschaft und Jus, beide abgebrochen) und Journalismus (zweiter Filmredaktor bei der «Basler Zeitung») arbeitet er heute frei, unter anderem für SRF (Deville, Spasspartout, Vetters Töne).

20 Uhr. Weil wir uns just in der Woche vor der Basler Fasnacht treffen, gehen wir hundert Meter den Spalenberg hoch ins Theater Fauteuil und kaufen uns zwei Tickets für die Vorfasnachtsveranstaltung «Pfyfferli 2019». Sie verspricht «Top-Schnitzelbängg», kabarettistische Rahmenstücke und viel Fasnachtsmusik. Eigentlich wollte Vetter mit seiner Freundin, einer Schwedin, und seinen beiden Kindern während den «drey scheenschte Dääg» in die Ferien nach Florenz. Nach heftigem Widerstand der Kinder fahren sie nun aber erst danach. Geführt wird das seit 1957 existierende «Fauteuil» von der Enkelin von «HD Läppli» Alfred Rasser, Caroline Rasser. Auf der Bühne spielt sie unter anderem eine überkandidelte Blondine mit kleinem Hündchen, die über ihren Mann Schorsch und Sterbetourismus im Kanton Baselland herzieht – grossartig! Die Themen der Veranstaltung sind maximal hyperlokal: Es ist eine abgeschlossene Welt, die sich selbst genügt und bereits an der Grenze zum Baselbiet in einen tiefen Abgrund blickt. Das Niveau der Veranstaltung ist formidabel, eine Art Broadway am Rhein: Nicht nur die Musiker (Pfeifer, Trommeln, Klavier, Gesang) überzeugen, auch die Schnitzelbänke (Dr. FMH und Spitzbueb) sind vom Allerfeinsten. Gabriel und ich haben Restkarten gekauft und sitzen auf Zusatzstühlen neben der Bar. Der Zuschauer direkt vor uns, der immer wieder begeistert applaudiert und «Bravo!» ruft, stellt sich als der Komiker Massimo Rocchi heraus – ab Mai wird der Wahlbasler selbst auf dieser Bühne zu sehen sein. In der Pause besprechen die beiden Entertainer dann die Halbfinalspiele der Coppa Italia und beklagen gemeinsam die aktuelle Krisensituation des FC Basel. Unerklärlich, was passiert sei! Als habe an Weihnachten irgendwer das Licht ausgemacht…

Der Abend klingt aus bei einem Bier in der Campari-Bar. Obwohl er mit Unterbrüchen seit 2002 in Basel wohnt, war auch Vetter das erste Mal in seinem Leben an einer Vorfasnachtsveranstaltung. Dass er äusserlich eher zurückhaltend reagiert habe, sei halt Déformation professionnelle: Er habe sich durchaus amüsiert, konzentriere sich aber natürlich mehr auf den Programmaufbau und die eingesetzten Kniffe. Letzte Frage: Was ist gute, was schlechte Comedy? «Schlechte Comedy ist alles, was vorhersehbar, faul und ohne Überraschungsmoment ist – also das meiste. Gute Comedy dagegen hat viel mit Rhythmus zu tun. Damit, und nicht nur mit Inhalten, kann man die Leute problemlos zum Lachen bringen.»

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