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Nacht des Monats mit Alex Rübel
Alex Rübel, fotografiert von Anja Raaber.

Nacht des Monats mit
Alex Rübel

Ein Rundgang durch den menschenleeren Zoo Zürich.

 

Ende Mai durfte ich erleben, wovon wohl viele träumen: Ich war alleine im Zoo. Nun, nicht ganz alleine, sondern in Begleitung von Zoodirektor Alex Rübel, was besser ist, als allein im Zoo zu sein, denn wer könnte einem mehr über Tiere, Pflanzen und Anlage erzählen als der Mann, der diesen Zoo seit 30 Jahren leitet und umgestaltet.

Der Rundgang beginnt im Himalaya-Teil des Zoos. Es sei die perfekte Zeit für diesen Teil, so Rübel. Ich sehe schnell warum. Die Rhododendren blühen in einer überwältigenden Farbenpracht – alle im selben Lila. Das sei bewusst so angelegt worden, denn im Himalaya-Gebirge fänden sich ganze Rhododendren­wälder, aber stets nur in einer Farbe am selben Ort. Bereits jetzt merke ich: Für Alex Rübel ist der Zoo viel mehr als ein Ort, um Tiere zu beobachten. Er will den Besuchern einen Einblick in deren Lebensumfeld geben. Dieses Interesse an der Natur und ihren Verbindungen liegt in der Familie. So war doch sein Grossvater Eduard August Rübel-Blass Gründer des Instituts für Geobotanik an der ETH Zürich.

Vorbei an Kashmir-Ziegen, Hausyaks und Trampeltieren verlassen wir die mongolische Steppe und damit auch den asiatischen Kontinent. Ein Hochplateau kurz vor dem Kontinentenwechsel symbolisiert Reisfelder. Entlang einer Steinmauer wechseln wir nach Afrika. In der Mitte wechselt diese die Farbe. Die Steine sind nun rötlich. Solche Kleinigkeiten sind mir bisher nie aufgefallen. Aber ich bin sicher: Es sind genau diese Details, die den Zoo Zürich so einzigartig machen.

Die Elefanten nutzen die Abwesenheit der Besucher und schlagen über die Stränge bzw. die Zäune und fressen vom Bambus auf der anderen Seite des Zauns. Von den Zurufen Rübels sind sie nur mässig beeindruckt und reissen gleich ein grosses Stück ab. Also lassen wir die Übeltäter und gehen ins Elefantenhaus. Eine einsame Elefantendame steht dort. Als Rübel ruft, grüsst sie mit Ohren und kleinen Rufen. Bald kommen auch die anderen hinter einem Stein hervor – offensichtlich erfreut über den Besuch.

Weiter geht es zur neuen Lewa-Savanne. Wir betreten das Haus durch einen umgebauten Container und gelangen vorbei an Graupapageien durch eine künstliche Schlucht zu den Nashörnern und Giraffen. Doch das Highlight ist wohl die Aussenanlage, eine grosse Wiesenfläche mit Affenbrotbäumen und Wasserloch. Leider sind die Tiere abends alle in den Häusern, so entgeht mir die Chance einer erfolgreichen Tiersafari. Doch auch ohne Tiere bietet die Landschaft eine beeindruckende Aussicht. Der Wald hinter dem Zoo suggeriert eine Weiterführung der Savanne, lässt sie grösser wirken. Durch eine enge Felsschlucht gelangen wir zu den Hyänen. Was ich im ersten Moment für einen Baumstamm hielt, ist eine Hyäne, die noch die letzten Sonnenstrahlen geniesst. Wir sind nun im «Dorf» angelangt. Ein altes Flugzeug, eine Wartehalle sowie eine kleine Bar sorgen für Ferienfeeling. Auch eine Schule wurde gebaut. Mit alten Holztischen, vollgekritzelten Wandtafeln und Büchern an den Wänden wirkt sie so echt, dass es nicht erstaunte, würde die Glocke klingeln und Schüler in den Raum kommen. Wer sich genau umschaut, entdeckt kleine Botschaften an den Wänden. Eine diskrete Erinnerung an Umweltschutz und dass wir nur eine Erde haben.

Obwohl ich mich am meisten auf die neue Savanne freute, ist mein Highlight des Abends doch die letzte Station: die menschenleere Masoala-Halle. Der Boden ist grün und glitschig, ganz der Natur überlassen. Die Tiere wissen dies offensichtlich zu schätzen. Überall liegen Madagaskar-Enten auf den Wegen herum und geniessen die Ruhe. Ohne andere Besucher und deren Stimmen habe ich jetzt wirklich das Gefühl, im Dschungel zu sein. Die roten Weber-Vögel sind fleissig mit dem Nestbau beschäftigt und immer wieder kreuzen Wachtelmütter mit ihren Küken die Wege vor uns. Ein Lemur nimmt uns neugierig in Augenschein, bevor er eine Papaya auf ihre Reife prüft. Leider muss er sich noch ein wenig gedulden. Am Wasserfall vorbei gehen wir langsam Richtung Ausgang.

Und mit einem Schritt ist nichts mehr von der Dschungelwelt zu spüren. Durch ein verlassenes, lichtloses Besucherzentrum verlassen wir die Masoala-Halle. Lustigerweise ist es dieser Moment, der mir klarmacht: Wir sind wirklich ganz alleine im Zoo.

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