Nacht des Monats
mit Aditotoro
Mikhail Shalaev spielt Tischtennis mit Aditotoro.
Ich muss nicht lange Ausschau halten, denn Aditotoro ist fast so auffällig wie das knallrote Rathaus von Basel, vor dem er steht: Um den jungen Mann mit seinem Schnauz, dem Vintage-Trainingsanzug und der markanten Topffrisur, die seit seinem letzten Friseurbesuch auch erste Anzeichen eines Vokuhilas hat, haben sich bereits einige Jugendliche versammelt und machen Selfies. Lässig posiert er mit ihnen für die Kamera. Ich treffe Adrian Vogt, wie Aditotoro mit bürgerlichem Namen heisst, auf dem Marktplatz. Eine steinerne Treppe führt uns durch die Gassen der Altstadt zur Peterskirche, in deren Nähe bereits zwei giftgrüne, mit Graffiti versehene Tischtennisplatten auf uns warten. «Der Ort hat einfach einen Vibe», sagt er und reicht mir einen Schläger.
Der 23-Jährige hat sich in den letzten Jahren als Tiktoker und Content-Creator mit Unterhaltungsvideos einen Namen gemacht. Auf der Social-Media-Plattform Tiktok folgen ihm rund 1,9 Millionen Menschen, gesamthaft kommt er dort auf 69 Millionen Likes. Angefangen hat der Baselbieter 2016 auf YouTube, wo sein Kanal heute
190 000 Abonnenten zählt. Er begann mit Videos auf Mundart, ehe er vor einem Jahr zum Hochdeutschen wechselte. Damit stieg neben der potentiellen auch die tatsächliche Reichweite seiner Inhalte. In der Schweiz liege die Zahl der Zuschauer, die er theoretisch erreichen könnte, bei rund 300 000 Personen. «Durch die Umstellung auf Hochdeutsch werde ich neben dem deutschsprachigen Teil der Schweiz und Liechtenstein nun auch in Deutschland, Österreich, Südtirol und Luxemburg wahrgenommen.» Nicht nur seine äussere Erscheinung, sondern auch seine Inhalte polarisieren: So bedient er sich gerne Stereotypen und spielt die Klischees der deutschsprachigen Länder gekonnt gegeneinander aus. Besonders beliebt sind seine Videos, in denen er Powerpoint-Präsentationen humoristisch kommentiert.
«Um längerfristig bestehen zu können, ist es wichtig, dass man nicht nur von einer einzigen Plattform abhängig ist», sagt Vogt. Auf Instagram gibt er täglich Einblicke in sein Leben. Er setzt regelmässig Tweets ab und hatte über einen Zeitraum von einem Jahr einen Podcast auf Schweizerdeutsch, den er mittlerweile zugunsten anderer Formate eingestellt hat. Ausserdem ist er auch auf Twitch aktiv – einer Live-Streaming-Plattform, auf der Videospiele gespielt werden. Dort wurde im August vergangenen Jahres die von ihm mitorganisierte «Turnstund» übertragen, ein Tischtennisturnier, an dem verschiedene bekannte Schweizer Influencer teilnahmen. Von dort stammt auch die heutige Tischtennisausrüstung, die Vogt zu unserer Verabredung mitgebracht hat.
Die richtige Technik scheint er ebenfalls nicht vergessen zu haben: Schon beim Aufwärmen merke ich, dass er nicht umsonst bis zum Finale des Turniers vorgestossen ist, denn die mit Drall diagonal gezogene, präzise Vorhand macht mir mächtig zu schaffen. Bis in die Dämmerung hinein wechseln wir die Bälle. Dann machen wir uns auf den Weg zum Rhein. Von der Pfalz, einer Terrasse, die hinter dem Basler Münster liegt, bietet sich eine eindrucksvolle Aussicht über den tiefblauen Fluss und das nächtliche Kleinbasel.
Nach dem Besuch der Wirtschaftsmittelschule arbeitete Vogt bei einer Bank, anschliessend war er beim Radio Basilisk tätig. 2020 hat er sich selbständig gemacht. «Mittlerweile kann ich von Social Media leben», berichtet er. Neben seiner Online-Tätigkeit treibt der Swiss-Comedy-Award-Gewinner von 2020 seine eigene Kleidermarke «De Bifferent» voran. Ein wichtiger Bestandteil seiner Einnahmen stammt aus Kampagnen, bei denen er für Produkte von Firmen wirbt, so beispielsweise für die SBB, Logitech oder Red Bull. Dabei sei für die Unternehmen oft die regionale Zusammensetzung der Zuschauerschaft ausschlaggebend. So kennt er Schweizer Influencer, die Mühe haben, Aufträge zu finden, weil ihre Zuschauer auf der ganzen Welt verstreut sind. Er hingegen habe es geschafft, überwiegend im deutschsprachigen Raum präsent zu sein. Und tatsächlich, wahrgenommen wird er, und selbst die Dunkelheit scheint nicht vor dem Erkanntwerden zu schützen: Als wir über den Münsterplatz in Richtung Parkhaus schreiten, vernehmen wir aus der Ferne ein «Hey, Adi, du geile Siech!».