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Nacht des Monats  mit Sara Schär
Sara Schär, fotografiert von Vojin Saša Vukadinovic´.

Nacht des Monats
mit Sara Schär

Vojin Saša Vukadinović lässt sich von Sara Schär Stärke demonstrieren.

 

Was haben Punk, Karate und das Recht gemeinsam? Auf jeweils eigene Art und Weise beantworten diese drei Tätigkeiten die Frage danach, was möglich ist. Dass sie jedoch in einer Biografie zusammenfinden, ist mindestens ungewöhnlich; ihre fortwährende Verschränkung im Fall einer Zürcherin darf als deren Alleinstellungsmerkmal gelten.

Sara Schär, Jahrgang 1964, ist Bassistin, Karatelehrerin (5. Dan) und Expertin für musikrechtliche Belange. Sie schrie Ende der 1970er-Jahre bei TNT ins Mikrofon und sang beziehungsweise spielte später bei The Kick, Souldawn, Jailbreak sowie bei Graber. Seit geraumer Zeit ist sie Teil von ONETWOTHREE, dem Trio, das aus ihr, Klaudia Schifferle und Madlaina Peer besteht; die Band hat diesen Herbst ihr Debütalbum veröffentlicht. «Der Spass am Musikmachen zieht sich durch alle Dekaden», urteilt Schär über ihr eigenes Leben. Konstant erscheint an diesem allerdings auch noch etwas anderes: Gälte es, einen Aspekt ihrer Persönlichkeit hervorzuheben, wäre dies zweifelsohne ihre Stärke. Schliesslich können nur wenige von sich behaupten, im Alter von 14 Jahren solch grundeigenständige Musik gemacht und bald darauf im Kampfsport zusätzlichen Halt gefunden zu haben, der so solide ist, um andere noch darin zu unterrichten.

Schärs Büro befindet sich am Limmatquai. Hier kümmert sie sich um Musikrechte. Wenn Filmschaffende wissen müssen, ob sie in ihren aktuellen Produktionen Songs verwenden können, klärt sie das Juristische. Schaut sie von ihrem Schreibtisch auf, geniesst sie beim Blick aus dem Fenster eine Aussicht, die einem Postkartenmotiv von Zürich gleichkommt. An der Wand vor ihr wiederum hängt ein grosses Gemälde von Bandkollegin und Künstlerin Schifferle, eine moorartig anmutende «Sehlandschaft», in der sich der Blick sogleich verliert. Im Raum selbst finden sich überall Musikreferenzen; schon beim Betreten wird klar, dass es sich um eine ihr Leben enorm prägende Begeisterung handelt. «Ich hatte sehr junge Eltern und wuchs auf zum Soundtrack meines Vaters. Bei uns lief immer Musik. Janis Joplin, Jimi Hendrix, Rolling Stones bekam ich mit der Muttermilch. Dann kamen Deep Purple, Alice Cooper, Black Sabbath, MC5, später Punkmusik», berichtet sie, «ich musste nie Platten kaufen, hätte auch nicht das Geld dazu gehabt. Heute sind diese Vinyl-Schätze bei mir und ich gehe öfters in diesen Rillen auf Zeitreise.»

Wir brechen auf. Eine Idee für unsere Zusammenkunft war, uns mit dem Stammbaum der Ratte zu befassen, die seit Jahrzehnten allegorisch für Punk steht. Allerdings hat das Zoologische Museum der UZH bereits geschlossen. Stattdessen schreiten wir eine unbestimmte Route durch die Altstadt ab, die sich zu einem abendlichen Spaziergang fortentwickelt, während dem sich das Zürich von damals und dasjenige von heute zunehmend überblenden. Zeithistorische Schauplätze wie ehemalige Szenetreffpunkte oder der Standort des AJZ, die wir passieren, sind dabei allerdings nicht ganz so interessant wie die schwindenden Spuren, die auf weitaus ältere und andere Formen von Urbanität hinweisen. In HB-Nähe sind das einige Hinterhöfe aus einer längst vergangenen Ära, die wir uns näher ansehen, da deren Bauweise unweigerlich signalisiert, dass es die letzten ihrer Art sind. Wie Schär die Veränderungen in der Stadt findet, die sie in den letzten Jahrzehnten miterlebt hat? «Ach, don’t get me started.» Auch eine vergleichsweise kleine Metropole beantwortet auf ihre Weise die Frage, was möglich ist – vorsorglich wohlbemerkt, noch bevor viele diese überhaupt gestellt haben. Für einen Moment wird es schwierig, nicht an die Zeilen des bekanntesten TNT-Songs zu denken.

Wir laufen weiter, widmen uns der Gegenwart, sprechen über Existenzielles, Ungelöstes und wahrscheinlich Kommendes – und ihre Haltung ist unmissverständlich: «Es ist Zeit, das alles wieder in Texte und Musik zu packen.» Zum Abschluss unserer Runde nehmen wir noch ein Kaltgetränk in einer Bar an der Langstrasse. Dort läuft – fast wie bestellt – Musik aus Grunge-Zeiten. Als wir uns draussen verabschieden, hat Schär drei Salzstängel in der Hand. «ONETWOTHREE», sagt sie augenzwinkernd, und ich bin überaus froh darüber, dass ich auch in Zukunft von ihr hören werde.

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