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Nacht des Monats
Robin Rehmann, fotografiert von Lukas Leuzinger.

Nacht des Monats

Lukas Leuzinger streift mit Moderator Robin Rehmann durch Baden.

 

Wie geht es dir?» Die scheinbar triviale Frage ist für Robin Rehmann viel mehr als ein Begrüssungsritual. «Wir stellen diese Frage täglich, aber wir wollen selten wissen, wie es dem anderen wirklich geht.» Wir sitzen im Park der Villa Langmatt am Limmatufer in Baden. Hier kommt er oft hin, um zu entspannen und Gedanken zu spinnen. «Das ist quasi mein Homeoffice.» Weil im Park ein Musik- und Hundeverbot gilt, ist es angenehm ruhig, und die Bäume spenden an heissen Sommertagen wie diesem kühlenden Schatten.

Seit zwei Jahren wohnt der 40-Jährige in Baden, die Stadt hat es ihm angetan. «Es ist schwierig, einen Ort zu finden, der auf so engem Raum so viele coole Anlässe hat, von Theater über Konzerte bis zu Festivals.» Baden sei eine kleine Stadt, und doch sei man in zwanzig Minuten in Zürich.

Robin hat als abgedrehter Moderator mit Punkfrisur beim Musiksender Viva Bekanntheit erlangt, bevor er eine Sendung bei SRF Virus bekam. Vor ziemlich genau zehn Jahren habe ich ihn das erste Mal getroffen. Seither ist viel passiert. Der stets lustig und aufgestellt wirkende Entertainer erkrankte 2012 an Colitis ulcerosa, einer chronischen Darmkrankheit. Er hatte schwere Bauchkrämpfe, Darmblutungen, musste ständig auf die Toilette und mehrmals ins Krankenhaus. Robin beschloss, seine Krankheit öffentlich zu machen. Auf seinem YouTube-Kanal konnten die Zuschauer das Auf und Ab seines Kampfs gegen Colitis ulcerosa verfolgen.

Aufgrund seiner Erfahrungen und der Rückmeldungen auf die Videos war für Robin klar, dass zu wenig über chronische und psychische Krankheiten gesprochen wird. So startete er die Sendung «Rehmann – S.O.S Sick of Silence», in der wöchentlich Betroffene aus ihrem Leben erzählen. Das braucht Mut, und doch hat Robin keine Mühe, die Sendeplätze zu füllen. «Vielen fällt es schwer, mit nahestehenden Personen über ihre Krankheit zu sprechen. Mir gegenüber können sie befreiter davon erzählen.»

Wie geht es dir? «Heute geht es mir viel besser als vor zwei Jahren.» 2019 wurde Robins Dickdarm entfernt. Neben seiner Tätigkeit für Virus ist Robin auch als DJ für Hochzeiten und Events tätig. Weil das Geschäft in der Pandemie zum Erliegen kam, fing er ausserdem an, Livestreams zu senden. Kürzlich organisierte er ein 24-Stunden-Livestreaming, in dem er Geld für Madnesst, ein Netzwerk von Mental-Health-Aktivist(inn)en, sammelte.

Die Coronakrise hat uns die Bedeutung von Krankheiten auf eine neue Art bewusst gemacht. Robin glaubt, dass die Empathie mit chronisch Kranken in der Gesellschaft zugenommen hat. «Ich musste oft erklären, wie es ist, chronisch krank zu sein: Du kannst nicht raus, kannst deine Freunde nicht treffen, du kämpfst mit Einschränkungen», erzählt er. In der Coronakrise habe erstmals die ganze Welt kollektiv erlebt, wie sich ein chronisch Kranker fühle. «Ich dachte: Jetzt seht ihr mal, wie das ist.» Sorgen macht er sich auch über den Anstieg von psychischen Erkrankungen infolge der Pandemie und der damit zusammenhängenden Lockdowns.

Robin führt mich zu seinem Studio, das er vor kurzem in der Nähe des Parks eingerichtet hat. Zwischen Star-Wars-Figuren und einem Plüschdarm strahlt er von hier aus seine Livestream-Videos aus. Darin spricht er mit Gästen mit psychischen und anderen Krankheiten, macht aber auch «Spiele und Seich», wie er sagt. Dann ist er wieder der Robin, der herumalbert. Zum einfühlsamen Moderator, der Menschen mit chronischen Krankheiten eine Stimme gibt, sieht er keinen Gegensatz. «Es ist einfach eine andere Art, Kreativität auszudrücken.» Die Ideen dafür gehen ihm nicht aus. Neuerdings arbeitet er an einem Theaterstück über psychische Gesundheit.

Kein Wunder, war Robin schockiert, als er die Diagnose Colitis ulcerosa erhielt und sich plötzlich bewusst wurde, dass er viele Dinge nicht mehr würde tun können. «Das hat mich richtig gebrochen. Ich habe mich gefragt: Welchen Wert habe ich überhaupt noch? Bis ich erkannte, dass ich alleine durch das, was ich bin, einen Wert habe. Mit dem, was man macht, zufrieden zu sein, das ist wertvoll.»

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