Nacht des Monats mit den Canepas
Jannik Belser geht mit dem Präsidentenpaar des FC Zürichs Gassi
Die Allmend Brunau in Zürich ist einer der Orte, wo man den Hunden noch den leinenlosen Auslauf gönnt. Auch die Familie Canepa geniesst hier den Abendspaziergang mit Kooki und Chilla, den beiden Schweizer Schäferdamen. Besonders Neuzugang Chilla, erst fünf Monate alt, hält die Canepas auf Trab: Zu Hause stibitzt sie gerne mal das Steak von Ancillos Teller.
Die Hunde sind eine Leidenschaft von Ancillo und Heliane Canepa. Sie wird aber in den Schatten gestellt durch den Fussball: Seit mittlerweile 15 Jahren stehen der ehemalige Wirtschaftsprüfer und die dreifache «Schweizer Unternehmerin des Jahres» an der Spitze des FC Zürich. Der FCZ, das ist eine Herzensangelegenheit der beiden: Hundehalsband, Hundeleine und Feuerzeug sind mit den Vereinsfarben verziert, auf der Pfeifentabakdose klebt das Logo des Stadtclubs. Während die beiden Hunde sorgenfrei auf der Wiese rumtoben, sinniert das Präsidentenpaar über den wirtschaftlichen Notstand des Schweizer Profifussballs: Wer im sportlichen Wettbewerb erfolgreich sein will, plant ein ambitioniertes Budget ein und startet mit einem strukturellen Defizit in die neue Saison. Bleibt der Erfolg auf dem Platz aus, muss das fehlende Geld irgendwie refinanziert werden. Leere Stadien wegen der Pandemie verursachen zusätzliche Einnahmeneinbussen und sorgen so für Liquiditätsengpässe in der Vereinskasse. Heliane pafft ihre Dunhill-Zigaretten, Ancillo stopft seine Pfeife. Wie viel Geld die Canepas aus ihrem privaten Vermögen in den Verein gebuttert haben? «Mehr als 10, weniger als 100», entgegnet Ancillo Canepa trocken. Er meint dabei die Grössenordnung der Millionen. Man muss nahezu wahnsinnig sein, für so ein Unterfangen finanziell geradezustehen.
Doch die Canepas sind überzeugt von ihrem Engagement, beim Fussball gehe es schliesslich um weit mehr als nur um die angeblichen «Millionäre in kurzen Hosen»: «Hunderte Mädchen und Buben bringen wir von der Strasse weg – der FCZ ist ein Sozialprojekt!», proklamiert Heliane Canepa stolz. Gerade auch die Politik verkenne bis anhin, wie relevant der Fussball für die Gesellschaft sei: «Über was wollen die Leute diskutieren, wenn es den Fussball nicht mehr gibt?», fragt sich Ancillo Canepa. Er packt Chilla und hebt sie in einen Brunnen. Begeistert plantscht die Hündin im kühlen Wasser, schüttelt sich und spritzt so ihr Herrchen nass. Ein Leben ohne Fussball: Das scheint sich Ancillo Canepa beim besten Willen nicht vorstellen zu können. Der 67-Jährige brennt für das runde Leder, seine Augen funkeln, wenn er vom WM-Final 1958 oder den FCZ-Legenden Rosario Martinelli und Köbi Kuhn erzählt. Er träumt von einer revolutionären Anpassung des Regelwerks: «Die athletischen Bedingungen der Sportler sind heute ganz anders als vor 150 Jahren. Alles geht so schnell, dass man als Spieler den Ball gar nicht mehr richtig präparieren kann. Entweder ist das Spielfeld also zu klein, oder wir haben zu viele Spieler auf dem Platz.» Eine Reduktion der Spieleranzahl, ist er überzeugt, würde dem einzelnen Akteur endlich wieder ein wenig mehr Platz verschaffen – und so den Sport von neuem verzaubern.
Ein lauter Pfiff in den Wald – und Kooki und Chilla traben brav heran. Die Canepas sind erfreut: «Bravo, Chilla Baby!» Seit 47 Jahren sind Heliane und Ancillo verheiratet. Das bedeutet aber nicht, dass sich die beiden immer einig sind. Zum Glück, meint Heliane: «Meine Mutter hat immer gesagt, dass ein Ehepaar mit dem Alter ihre Ecken und Kanten verliere, wie ein Stein im Fluss ganz harmonisch und rund werde. Ich wollte nie ein runder Stein werden.» Gemeinsam mit ihrem Mann trägt sie Verantwortung für Erfolg oder Scheitern einer Organisation, die permanent im Schaufenster der Öffentlichkeit steht. Gerade mit den Medien haben die Canepas ihre liebe Mühe. «Manchmal drucken die einfach Fake News oder schreiben unter der Gürtellinie!», ärgert sich Ancillo. «Es würde Journalisten guttun, die Dinge auch mal von der anderen Seite zu sehen. Zu kritisieren, ohne selber in der Verantwortung für seine Mitarbeiter zu stehen, das ist ziemlich einfach.» Davon lassen sich die beiden aber nicht beirren. Solange ihre Leidenschaft für den FCZ lodert, wollen sie weitermachen. Komme, was wolle.