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Nacht des Monats
mit Jean-Marc Hensch

Nacht des Monats  mit Jean-Marc Hensch
Jean-Marc Hensch, fotografiert von Ronnie Grob.

Mittwochabend am «Sternen»-Grill in Zürich: Salsiccia piccante, scharfer Senf, Bürli, Bier. Jean-Marc Hensch kommt oft hierher, wenn am Abend ein kultureller Anlass ansteht; man könne am Bellevue viel entspannter rumstehen, statt in einem Restaurant ungeduldig auf den Hauptgang oder die Rechnung zu warten. Der 58jährige Chef des Verbands der digitalen Schweizer Wirtschaft, Swico, ist gerade erst zurück von einer Silicon-Valley-Reise mit Parlamentariern. Es sei weiterhin beeindruckend, was dort ablaufe, sagt Hensch, aber naiv, zu glauben, dass so etwas auch in der Schweiz möglich sei: «Diese Ansammlung von genialen Köpfen, Start-ups, Inkubatoren und Investoren an einem Ort ist weltweit einzigartig. Die damit zusammenhängende Kultur des Hire & Fire aber ist nicht mehrheitsfähig in der Schweiz.» Er sei zwar sehr wirtschaftsliberal, sagt er, vor den Folgen dürfe man aber die Augen nicht verschliessen. «Machbar ist eher der Austausch mit so einem Zentrum, und das passiert auch. Swisscom, Novartis, Swissnex – die sind alle vor Ort.»

Ab ins Zweiertram in Richtung Tiefenbrunnen. Wir gehen ins «Millerʼs», wo der aus dem Ruhrgebiet stammende Kabarettist Jochen Malmsheimer auftritt. Ein Mann, der vor einem roten Vorhang sitzt und aus einem Buch liest, das eine fiktive Busreise nach Venedig erzählt. Sein Sprachwitz und einige schauspielerische Einlagen bringen das zahlreich anwesende – und für einmal gar nicht überalterte – Publikum aber fast pausenlos zum Lachen. Anders als das Alter Ego von Malmsheimer, das von seiner Frau zur Busreise gezwungen wird, darf Hensch bei Reiseplanungen seiner Frau sogar mitreden. Schon im Februar fährt er für fünf Wochen nach Indien, eine Woche davon im Zug: «Meine Frau ist eine geniale Planerin – und ich bin ein guter Reisebegleiter», erzählt Hensch, der für das Unterwegssein gern Geld ausgibt: «Wir haben kein Auto, kein Haus, keine Kinder, nur eine abbezahlte Wohnung: das macht uns extrem unabhängig und eröffnet uns viele Möglichkeiten.»

Ich will wissen, ob die Computer und das Internet nun eigentlich auch bei den Politikern angekommen seien. «Die Politiker erzählen gerne, dass es vorwärtsgehen soll mit der Digitalisierung», antwortet Hensch. «Aber nur so lange, bis tatsächlich etwas gemacht werden muss. Dann arbeiten sie dagegen und bauen neue Hürden auf.» Dass er die Sonntagsreden der Politiker leid ist, merkt man ihm an. «Es braucht keine Pflaster für Start-ups, keine Kreditpools, keine besonderen Steuerregimes. Die Digitalisierung entfaltet dann ihre Kraft, wenn sich das Wirtschaften lohnt.» Statt zu versuchen, die Digitalisierung zu bremsen, könne man in vielen technologischen Bereichen einfach mal zuschauen und abwarten. Präventives Regulieren bringe selten etwas, denn Regulierungen seien oft nicht technologieneutral. Ein Telefongesetz etwa bringt eher Probleme als Nutzen, wenn die Telefone nicht mehr jene Telefone sind, die sie zum Zeitpunkt der Gesetzgebung waren.

Hensch war in seinem Leben schon in vielen Milizämtern aktiv: als Quartiervereinspräsident, als Prüfungskommissionspräsident in der höheren Berufsbildung, im Wahlbüro für 38 Jahre. Und auch für das Jugendwohnnetz (juwo.ch) – eine Vermittlungsorganisation, die ohne Subventionen auskommt – arbeitet er schon seit 35 Jahren: «Wir stellen Wohnraum zur Verfügung für junge Menschen im Alter von 16 bis 26, die weniger als 2500 Franken verdienen: Lehrlinge, Studenten, Sozialfälle. 2500 Personen sind derzeit Mieter bei uns, das ist ein halbes Prozent der Stadt Zürich.» Junge Menschen für Milizämter zu begeistern sei möglich, sagt er, das Problem aber sei die fehlende Kontinuität: «Viele Junge lockt bald mal ein Job im Ausland oder in einer anderen Stadt, und dafür habe ich natürlich auch grosses Verständnis. Am ehesten noch für ein Ehrenamt zu begeistern sind ältere deutsche Pensionäre und Pensionärinnen.» Sie wollen etwas leisten in einem Land, in dem sie sich wohl fühlen und glücklich sind. Und natürlich sei es eine empirische Tatsache, dass die, die Ehrenämter annähmen, immer jene seien, die eh schon viel zu tun hätten: «Unterbeschäftigte melden sich nie.»

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