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Nacht des Monats
mit Gülsha Adilji

Nacht des Monats  mit Gülsha Adilji
Gülsha Adilji vor einem Frühstücksbuffetbild, photographiert von Ronnie Grob.


Weil Gülsha darauf besteht, die Ausstellung gewissenhaft zu absolvieren, schnappen wir uns beim Eingang der Zürcher Stadtgärtnerei je einen Papierpass – ich erhalte Indien, sie Peru – und stempeln ihn bei jedem Posten brav ab. Die Helvetas-Ausstellung «Wir essen die Welt» führt uns kreuz und quer über den Planeten, nur wenige Schritte trennen Kontinente. «Viele glauben ja, ich sei ständig unterwegs. Doch das stimmt gar nicht. Eigentlich bin ich immer in der Schweiz. Und ich finde es komisch, dass man sich rechtfertigen muss, wenn man gar nicht so gerne weit weg fährt», sagt sie, nachdem wir uns Audiobeiträge über die Situation von Bauern in Bangladesch und Burkina Faso angehört haben. Ihre weitesten Reisen hätten sie einmal in die USA geführt, nach Las Vegas, und einmal nach Phuket in Thailand, sozusagen in die Sportferien: «Ich habe vier Stunden Sport am Tag gemacht, und am Abend noch eine Stunde Poweryoga. Strandferien halte ich nicht aus.»

Wie eine, die lange untätig rumliegen kann, sieht sie wirklich nicht aus. Und tatsächlich ist sie kurze Zeit später schon wieder unterwegs, in Rangun, Myanmar. Wieso ich das weiss? Weil Gülsha auf Instagram täglich Schnipsel ihres Lebens mit mir und 10 000 anderen Abonnenten teilt. Überhaupt ist sie ständig auf Twitter, Snapchat, Netflix und 9Gag, meistens aber auf Facebook, Instagram und WhatsApp. Zeitschriften und Zeitungen dagegen liest sie: keine. Andersherum wird eher ein Schuh draus: Die gelernte Pharmaassistentin aus Uzwil – tatsächlich kommt sie ursprünglich aus der Ostschweiz, der Dialekt hat sich aber über die Jahre hörbar eingezürchert – hat die Bühne, die ihr der Privatsender Joiz zur Verfügung gestellt hat, perfekt genutzt und sich zur schweizweiten Berühmtheit gemausert. Als der Sender im August 2016 unter grossem Medienecho die Insolvenz bekanntgab, bedauerte sie das, fand aber nicht, dass jemand Mitleid haben müsse mit fünfzig jungen Menschen, denen die Möglichkeit eingeräumt wurde, zu lernen, wie ein Beitrag produziert wird, wie ein Spannungsbogen funktioniert, dass man eine «Catchphrase» benötigt. Bei Joiz habe sie viel gelernt, was Moderation, Storytelling und journalistisches Arbeiten angehe, sagt sie. Schon damals war ihr aber klar, dass sie es im Anschluss auf der kleineren Bühne versuchen will: Ende Februar hatte sie ihren ersten Auftritt vor grossem Publikum im «Miller‘s» in Zürich. «Bei einem Auftritt ist man 90 Minuten lang dem Publikum ausgesetzt. Wenn dann lange keine Rückmeldung kommt, verunsichert mich das.» Auch beim Schreiben des Programms sind ihr immer wieder Selbstzweifel gekommen. Wie geht sie damit um? «Du rufst dir einfach in Erinnerung, dass die Leute ja kommen, um dich zu sehen», lacht sie. Und ergänzt, dass sie eigentlich gern in der Öffentlichkeit stehe. Bekannt zu sein in der Schweiz sei gar nicht so schlimm, meint sie. «Ich werde nicht überfallen in der Migros.» Schwierig sei aber der Umgang mit Leuten, die ein völlig anderes Verhältnis zu ihr hätten, als sie zu ihnen. «Wenn ich mich gefühlt sterbenskrank im Wartezimmer eines Arztes aufhalte, mache ich nur sehr ungern Selfies mit Unbekannten.»

Als sie beim SRF-3-«Focus Blind Date» dem Unternehmer Peter Spuhler gegenübergesetzt wurde, erkannten sich beide gegenseitig nicht – so viel zu existierenden Filterblasen. An das Gespräch, das sich bald an der Flüchtlingspolitik entzündete, wird sie nur ungern erinnert, es ist ihr etwas peinlich. Auch wir reden sofort über Politik und Wirtschaft: «Wir sind vielleicht gar nicht so frei, wie wir glauben», findet sie. «Wir werden vom Marketing beeinflusst, von Farben, von unserem Umfeld. Und nicht zuletzt sind wir auch von unserer Herkunft konditioniert.» Die Forderung der Helvetas-Ausstellung, sich nachhaltig zu verhalten, versucht Gülsha im Alltag umzusetzen. Seit drei Jahren ernähre sie sich vegan, sagt sie, und Kleider kaufe sie nie bei grossen internationalen Handelsketten. Die Auswirkungen auf ihr Umfeld halten sich aber in Grenzen, muss sie zugeben: «Manchmal kommt ein Ohnmachtsgefühl auf. Dann kommt es mir vor, als habe ich nicht mal im engsten Umfeld etwas verändern können.»

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