Nachhaltigkeit lässt sich messen
Wer Geld anlegt, hat eine Verantwortung dafür, wohin es fliesst. Klare Kriterien helfen einer wachsenden Gruppe von Anlegern zu erkennen, in welchen Unternehmen Nachhaltigkeit nicht nur Marketingargument ist, sondern auch wirklich praktiziert wird.
Stehen bei den klassischen Anlegern die finanziellen Aspekte der Anlage im Vordergrund, wollen nachhaltig orientierte Anleger zusätzlich soziale, ethische und ökologische Kriterien berücksichtigen. Für eine wachsende Gruppe von Investoren gilt also: Nachhaltigkeit und Performance! Diesen Anlegern ist die nachhaltige Wirtschaftsentwicklung wichtig, also eine Entwicklung, welche «die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können».1
Rendite lässt sich in Zahlen ausdrücken. Wie aber kann Nachhaltigkeit gemessen werden?
Wer nachhaltig investieren will, kann heute aus einer Reihe von Strategien wählen. Der älteste und im deutschsprachigen Raum am weitesten verbreitete Ansatz ist der systematische Ausschluss bestimmter Anlagen, die gegen bestimmte Werte verstossen. Dazu gehören je nach persönlicher Wertvorstellung beispielsweise Aktien von Unternehmen aus den Bereichen Rüstungsgüter, Tabak oder Alkohol. In neuerer Zeit sind weitere Ausschlussthemen hinzugekommen wie Kinderarbeit oder Tierversuche sowie kontroverses Umwelt- oder Sozialverhalten, z.B. Landgrabbing, Minenbau, Spekulation mit Grundnahrungsmitteln, Öl- und Gasförderung.
Das gleiche Ziel verfolgt auch das normenbasierte Screening, das gezielt Unternehmen oder Staaten ausschliesst, die gegen offizielle Konventionen und Abkommen wie das Kyoto-Protokoll, Menschenrechtskonvention oder Waffensperrverträge verstossen respektive diese umgehen.
Ergänzend zur Strategie der Ausschlusskriterien hat sich der Best-in-Class-Ansatz etabliert. Dabei werden basierend auf Nachhaltigkeitskriterien die jeweils ökologisch, sozial und ethisch besten Unternehmen innerhalb einer Branche, Kategorie oder Klasse gewählt. Unter ihnen kann also durchaus auch ein Waffenproduzent sein, der hinsichtlich Mitarbeitenden- und Firmenführung besser abschneidet als seine Mitbewerber und seine Waffen mit möglichst geringem Energie- und Materialeinsatz herstellt.
In Umkehr des Negativscreenings und ausgehend vom Best-in-Class-Ansatz ist ein integrierter Ansatz entstanden, der explizit ökologische und Governance-Kriterien in die traditionelle Finanzanalyse einbezieht. Im Sinne eines Positivscreenings wird in jene Unternehmen investiert, deren Leistungen als vorbildlich und verantwortlich gelten, deren Produkte ermöglichen, dass auch künftige Generationen ihre Bedürfnisse befriedigen können, und die transparent über entsprechende Leitlinien, Ziele und die Zielerreichung berichten.
Wer Geld anlegt, hat eine Verantwortung dafür, wohin das Geld fliesst. Mir ist es ein persönliches Anliegen, dass Investitionen Sinn machen. Das tun sie, wenn sie die nachhaltige Lebensqualität steigern, wobei die finanzielle Nachhaltigkeit ebenso wichtig ist. Deshalb haben wir eine Methode entwickelt, die eine konventionelle Finanzanalyse durchführt und mit einer qualitativen Firmenanalyse die Unternehmen bezüglich dreier Wirkungsbereiche und sechs spezifischer Nachhaltigkeitsthemen untersucht.
Führungsqualitäten
Führungsqualitäten werden anhand der Beziehungen zu den Anspruchsgruppen sowie aufgrund eines konstruktiv kritischen Verhältnisses in Verwaltungsrat und Geschäftsleitung sowie transparenter Berichterstattung geprüft. Zu einer positiven Beurteilung führen beispielsweise ein integrierter Nachhaltigkeitsansatz und entsprechendes Reporting, Steuertransparenz, Frauen in Geschäftsleitung und Verwaltungsrat sowie eine massvolle Entlöhnungspolitik, die auch die Erreichung von Nachhaltigkeitszielen einbezieht.
Mitarbeitende und intellektuelles Kapital
Die Personalpolitik wird an den Faktoren Diversität, Umgang mit intellektuellem Kapital sowie firmeninternem Wissensmanagement gemessen. Zu einer positiven Bewertung führen beispielsweise die gezielte Förderung der Karrieremöglichkeiten von Mitarbeitenden, der systematische Einbezug der Vereinbarkeit von Erwerbs- und Familienarbeit bei allen Mitarbeitenden oder die systematische und kontinuierliche Überwachung der Entlöhnungsstruktur auf Diskriminierung.
Nachhaltige Geschäftsstrategie
Ob eine Geschäftsstrategie nachhaltig ist, zeigt sich daran, dass neben den rein ökonomischen Faktoren auch ökologische und soziale Kriterien gebührend berücksichtigt werden. Auch die Produktstrategie und ihre langfristig positive oder negative Auswirkung werden einer Analyse unterzogen. Zu einer positiven Beurteilung führen beispielsweise ein Fokus auf Effizienzsteigerung und das umfassende Sparen von Energie durch Nutzung des technologischen Fortschritts sowie eine Geschäftsführung, die wir als ethisch verantwortlich einschätzen.
Wirkung und Innovationsgrad von Produkten und Dienstleistungen
Zentral ist, wie Produkte eines Unternehmens auf Umwelt und Gesellschaft wirken. Wir prüfen, ob die mit nachhaltigen Produkten oder Dienstleistungen erzielten Umsatzanteile relevant sind. Zu einer positiven Beurteilung führen beispielsweise Produkte, die globalen Herausforderungen wie Wasserknappheit auf möglichst umweltfreundliche und sozial verantwortliche Art begegnen. Weiter hat auch die zyklische Ressourcennutzung (Cradle to Cradle) bei der Entwicklung von Produkten positiven Einfluss auf die Bewertung.
Förderung der Lebensqualität in unterversorgten Märkten und Menschenrechte
Unternehmen mit globalen Versorgungsketten beeinflussen die Lebensqualität der Menschen in unterversorgten Märkten (Schwellenländern, Randregionen) und die Einhaltung der Menschenrechte. Deshalb betrachten wir die Handhabung der Zuliefererbeziehungen, das Bewusstsein für und der Umgang mit wirtschaftlich schwachen Marktteilnehmern sowie das philanthropische Engagement und die Wahrnehmung der Unternehmensverantwortung einer Firma. Zu einer positiven Beurteilung führen beispielsweise ein detailliertes Lieferkettenmanagement mit zugänglichen Kriterien und effektiven Monitoringprozessen, die Verpflichtung zur Einforderung von Menschenrechts- und anderen Standards bei den Zulieferern, eine klare und ausformulierte Preispolitik, die zwischen versorgten und unterversorgten Märkten im Sinne erhöhter Zugänglichkeit differenziert.
Umgang mit knappen Ressourcen – Wasser, Energie, Material
Im Umgang mit knappen Ressourcen werden betriebsökologische Politiken und Massnahmen beurteilt. Zu einer positiven Beurteilung führen beispielsweise der Betrieb des Unternehmens mit erneuerbarer Energie, quantitative Ziele für Sparmassnahmen für Wasser, Energie und Rohstoffe, Produktionsabfall- und Produktrecycling, Reduktion von Gefahrenstoffen und der konsequente Einsatz von Lebenszyklusanalysen. Ebenfalls positiv bewer-tet werden Gebäudeneubauten respektive -sanierungen nach anerkannten Umweltstandards, ökologische Büromaterialbeschaffung sowie Unterstützung der Mitarbeitenden für private Anstrengungen zur Senkung der CO2-Emissionen.
Des weiteren hat Forma Futura eine Reihe von branchenspezifischen Ausschlusskriterien definiert. Zu diesen gehören beispielsweise fossile und nukleare Energie, Waffen, Biotreibstoffe aus Nahrungsmitteln oder genetisch veränderte Organismen in der Landwirtschaft. Deren tolerierbare Umsatzanteile werden in einem Kollektiventscheid von Forma Futura bestimmt, dem die Diskussion über ein intern erstelltes Positionspapier zugrunde liegt.
Im Auswahlprozess tritt das Nachhaltigkeitsanalyseteam zudem direkt mit dem Unternehmen in Kontakt, um einerseits spezifische Fragen direkt zu klären und um andererseits die Unternehmen für die Thematik der Nachhaltigkeit und die entsprechende Berichterstattung zu sensibilisieren. Auch werden anlässlich der Generalversammlungen von Schweizer Firmen Abstimmungsempfehlungen erarbeitet, die sich aus den beschriebenen Nachhaltigkeitskriterien ableiten und interessierten Kundinnen und Kunden zur Verfügung stehen. Ist ein Unternehmen ins investierbare Universum aufgenommen, wird dieses kontinuierlich bezüglich negativer Entwicklungen beobachtet und allenfalls neu bewertet.
«Business as usual ist keine Option für eine zukunftstaugliche Wirtschaft, in der neun Milliarden Menschen in der Mitte dieses Jahrhunderts innerhalb der Grenzen des Planeten gut leben können», sagt Peter Bakker, Präsident des World Business Council on Sustainable Development. Privatwirtschaft, Politik und Gesellschaft müssen zusammenarbeiten, das «business as usual» beenden und mit messbaren Kriterien nachhaltige Investitionen als neues «usual» etablieren.
1 Definition Nachhaltigkeit gemäss Brundtland-Bericht von 1987.