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Nach der Leere
Biel: Verlag Die Brotsuppe, 2021.

Nach der Leere

Andri Bänziger: Gegen Gewicht.

 

Wir befinden uns am Strand unter der Sonne Italiens – hier schaut eine Frau auf die weite See: «Das Meer atmet ein und aus, ich kann es hören und sehen. Mit jedem unregelmässigen Atemzug falle ich in mich, die Gedanken lösen sich im gerade Erlebten auf wie ein Medikament oder eine Droge, eine Trance, eine schummrigschöne Abwesenheit.» Die Gegenwart vergessend, lässt sie ihr noch junges Leben Revue passieren. Wo ihre Aufmerksamkeit verweilt, ist die einstige Karibikreise, der Tod der Mutter, der Job in der Bar, vergangene Exzesse mit einer Mixtur aus Alkohol und Sex. Den meisten Raum nehmen aber Beziehungen in dieser prosaischen Zeitreise ein. Viel erfahren wir über die Zwischentöne im Verhältnis der Ich-Erzählerin zu ihrem Partner Ricardo und dessen Schwester. Während er den Sanftmütigen darstellt, neigt Nathalie zu cholerischen Episoden. Dazwischen pendelt die Ich-Erzählerin, stets gefährdet, von der eigenen inneren Leere aufgesogen zu werden. Als sie ihre am Down-Syndrom leidende Tochter auf die Welt bringt, scheint sich die Situation zunächst nicht zu entspannen. Erst spät wird die Hauptfigur erkennen, dass ihr ihr Nachwuchs zu einem neuen Blick auf das Dasein verhilft.

Der Roman «Gegen Gewicht» des 1992 in Mötschwil geborenen Andri Bänziger lässt sich als Protokoll einer Suche nach Sinn und Halt lesen. Changierend zwischen einem poetisch ausgekleideten und einem bisweilen leitfüssig-tagebuchartigen Stil verführt er uns zu einer konzentrierten psychologischen Innenschau. Gewahr werden wir dabei einer sich über die Jahre stetig weiterentwickelnden Protagonistin. Ihr Weg führt von der Verdrängungskunst hin zur lebensbejahenden Haltung einer selbstbewussten Frau.

Gern hätten wir dabei auf die zahlreichen Abschweifungen zu letztlich nicht funktional bedeutenden Nebenschauplätzen, mithin die Neigung des Autors zum Anekdotischen und Abseitigen, verzichtet. Mehr Stringenz hätte seinem neuen Werk daher gutgetan. Nichtsdestotrotz: Die Lektüre erweist sich als Gewinn, bietet sie uns doch ein famoses Kammerspiel menschlicher Fehlbarkeit, Leidenschaft und Erneuerungskraft.


Andri Bänziger: Gegen Gewicht. Biel: Verlag Die Brotsuppe, 2021.

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