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Mythos: Die Bank, das Sparsäuli

Glauben auch Sie, dass private Geschäftsbanken Finanzvermittler sind und Einlagen von Sparenden an Kreditnehmende ausleihen? Und, dass die Zentralbank die einzige Institution ist, welche Geld ‘machen‘ darf? Oder, dass die privaten Geschäftsbanken bei der Zentralbank Geld ausleihen, welches sie dann anschliessend durch Kredite an ihre Kunden in Umlauf bringen?

Falls Sie das glauben, so befinden Sie sich in sehr guter Gesellschaft. Prof. Dr. Werner, Inhaber des Lehrstuhls für International Banking, Southampton University hat im 2012 eine Umfrage gemacht. 84% der Befragten, waren der Meinung, dass die Regierung das Geld macht und es zuteilt. Auf die Frage «Würden Sie einem System zustimmen, in dem das meiste Geld durch private, auch profitorientierte Unternehmen produziert und verteilt wird und nicht durch staatliche Organe?» antworteten 90% der Befragten mit «Nein», dem würden sie klar nicht zustimmen.

Wie leicht gezeigt werden kann,  glauben auch unsere Bundesräte und sogar unsere Bundesrätinnen, ihre Finanzexperten, wie auch Banken-CEO’s, dass die Zentralbank als Teil des Staates und Inhaberin des Geldmonopols das Geld «macht» und dass die Banken zur Hauptsache als grosse Sparschweine funktionieren, welche zwischen Sparenden und Kreditnehmenden vermitteln. Denn je prominenter man ist, desto mehr Spuren hinterlässt man in den Medien und manchmal sogar in Lehrbüchern. Oswald Grübel hat in der März Ausgabe vom Schweizer Monat im Interview mit René Scheu zum Beispiel seine Vorstellungen einer Bank folgendermassen formuliert: «Die Banken sind die Werkzeuge, die das Geld bewegen, es dort zur Verfügung stellen, wo es gerade gebraucht wird. …Banken sind die kommunizierenden Röhren des Geldumlaufs.» Und im Weiteren: «Die Banken sind über das Geld an den Staat gebunden und der Staat braucht umgekehrt die Banken, um sein Geld in Umlauf zu bringen, das heisst aber noch lange nicht, dass der Staat die Banken führen soll. Wenn man nicht nur das Geld kontrolliert, sondern auch dessen Verteilapparat, dann hat man die totale Macht, und mehr Macht macht mehr korrupt.»

Prominente Personen seien jedoch gewarnt, denn wer sich weiterhin der Mythen bedient, dass der Staat durch die Zentralbank das Geld bereitstellt, welches dann die Banken als grosse Sparsäuli anziehen, um es an Kreditnehmende zu vermitteln, der läuft in Zukunft Gefahr, sich als Laie zu outen. Und das wäre schlimm, für den Fall, dass man gerade in der Rolle des Experten auftritt.

In den letzten Tagen hat die Bank of England in ihrem 1. Quartalsbericht 2014 mit einer Klarheit und Deutlichkeit mit obigen Mythen aufgeräumt, wie es vermutlich noch keine Nationalbank gewagt hat. Und dass es gerade die Bank of England ist, welche Klartext redet und deutlich ausdrückt, dass Studenten durch die vorhandenen Lehrbücher in die Irre geführt werden, kommt doch einer grösseren Sensation gleich, welche für mich klar ein historisches Ausmass hat. [1]

Sie bestätigt, dass der weitaus grösste Teil des sich im Umlauf befindenden Geldes von privaten Geschäftsbanken geschöpft wird. In England beträgt der von den privaten Geschäftsbanken geschöpfte Teil der Geldmenge 97%. [2]

Dieser privaten Geldschöpfung sind Grenzen gesetzt, deren Faktoren im Bericht detailliert erläutert werden. Aber den in sämtlichen Lehrbüchern erläuterte Geldmengenmultiplikator gibt es nicht. Die private Geldschöpfung erfolgt nicht durch eine Multiplikation der von der Zentralbank vorgegebenen Reserven. Die privaten Geschäftsbanken schöpfen durch die Kreditvergabe und durch Käufe von Sachanlagen und Wertpapieren beim Publikum eigenständig neues und zusätzliches Geld und fordern dann bei der Zentralbank die entsprechenden Reserven an. Es gibt kaum Fälle, in denen die Zentralbank diesem Reservebedarf nicht nachkommt. Nicht das Geldangebot der Zentralbank steuert also die Geldnachfrage, sondern die Geldnachfrage der privaten Banken bestimmen das Reserveangebot der Zentralbank. Die Bank of England betont natürlich, dass sie trotzdem Einfluss auf die Geldmenge nehmen kann. Der Anteil der privaten Geschäftsbanken an der gesamten Geldschöpfung von 97% gibt einen deutlichen Hinweis auf den tatsächlichen Einfluss der englischen Zentralbank auf die im Umlauf befindliche Geldmenge. [3]

Die Reserven, welche von Banken bei der Zentralbank gehalten werden, sind grösstenteils nur in virtueller Form vorhanden. Dieses Giralgeld fliesst jedoch niemals von der Zentralbank zu den Geschäftsbanken und von dort zu den Bankkunden.  Zu den Giralgeldguthaben der Banken bei der Zentralbank haben die Bankkunden keinen Zugang. Nur der verschwindend kleine Anteil, welcher in Form von Bargeld vorhanden ist, kann von der Zentralbank über die Geschäftsbanken zu den Bankkunden gelangen. [4]

Im oben erwähnten 1. Quartalsbericht 2014 stellt die Bank of England zudem klar, dass private Geschäftsbanken nicht das Geld verleihen, welches sie zuvor als Spareinlagen erhalten haben. Im Gegenteil. Geld entsteht neu und zusätzlich durch Kreditvergabe. [5]  Deshalb steht auch jedem Geldguthaben eine identische Geldschuld gegenüber. Geldguthaben und Geldschulden entsprechen einander und heben sich in ihrer Summe stets auf. [6] Geld entsteht durch Kreditvergabe und wird durch die Rückzahlung des Kredites wieder vernichtet. Durch eine bilanzverlängernde Buchung entsteht bei der Bank eine Geldforderung gegenüber dem Kreditnehmenden. Fast zeitgleich entsteht auf dem Konto des Kreditnehmers ein Guthaben gegenüber der Bank. Die Einlage beim Kreditnehmenden wird also erst durch die Kreditvergabe geschaffen und war nicht schon zuvor als Spareinlage vorhanden. Es gibt also bei dieser Transaktion keine Aktiven, welche der Bank gehören und die dem Kreditnehmenden verliehen werden. Es entsteht jedoch eine gegenseitige doppelte Verschuldung. Die Bank hat ein Geldversprechen gegeben (auf der Passivseite der Bankbilanz als Verpflichtung gebucht) und der Kreditnehmende hat sich verpflichtet, das versprochene Geld zurückzuzahlen (auf der Aktivseite der Bankbilanz als Forderung verbucht).[7]

Wenn Banken zusätzliche Kredite vergeben, so werden diese durch zusätzliche Einlagen ausgeglichen. Das Ausmass an Reserven wird dadurch nicht beeinflusst.[8]

Es sprengt den Rahmen dieses Artikels bei weitem, die Ursachen für die irreführenden Darstellungen in nahezu allen Lehrbüchern zu untersuchen, welche dann dazu führen, dass das Schicksal ganzer Länder in den Händen von Menschen liegen, die glauben oder vorgeben zu glauben, dass unsere Banken wie grosse Sparschweine funktionieren. Zur Lektüre zu dieser Frage empfehle ich den Artikel von Norbert Häring «The veil of deception over money: how central bankers and textbooks distort the nature of banking and central banking.» [9]

Der Artikel von Häring weist darauf hin, dass viele Lehrbuchautoren in Auftragsverhältnissen mit den Zentralbanken arbeiten und die meisten Zentralbanken bisher kein Interesse daran hatten, die Bevölkerung über Fragen der Geldschöpfung wirklich aufzuklären.

Der 1. Quartalsbericht 2014 der Bank of England stellt bestimmt einen bankhistorischen Meilenstein dar. Die englische Zentralbank steht in ihrer Deutlichkeit bisher noch auf weiter Flur alleine da. Allerdings sei doch erwähnt, dass die Deutsche Bank bereits 2012 in einem Lehrbuch für die Sekundarstufe klar ausgeführt hat, wie Geld geschöpft wird und wer vor allem Geld schöpft. Sie hat sogar ausgeführt, dass private Geldschöpfung nicht nur durch die Kreditvergabe der Geschäftsbanken entsteht, sondern auch zum Beispiel durch den Kauf von Immobilien [10]. Im Klartext: Banken können Güter und Dienstleistungen beschaffen, in dem sie dem Verkäufer Geld auf sein Konto buchen, welches es zuvor nicht gab.

Natürlich ist die Sache noch weit komplexer. Darauf weist der aktuelle Quartalsbericht der Bank of England und das erwähnte Lehrbuch der Deutschen Bank hin und die interessierte Leserschaft darf gern die entsprechenden Dateien downloaden. [11][12]

Nun liebe Leserinnen und Leser. Ich bin froh, Ihnen gegen Ende dieses Artikels mitteilen zu können, dass dies nur in England und in Deutschland so ist. In der Schweiz ist alles ganz anders. Gemäss Art. 99 in unserer Bundesverfassung hat der Bund das Geldmonopol, welches er an die SNB abgetreten hat. Und gemäss Art. 99 BV kann es bei uns gar keine Geldschöpfung durch private Geschäftsbanken geben. Denn die einzigen Formen von Geld, welche unsere Bundesverfassung zulässt, sind Geldscheine und Münzen. Gäbe es also jemanden, der anderes Geld herstellt, wie zum Beispiel virtuelles Geld, sprich Giralgeld, dann wäre das so, wie vor der Gründung der Schweizer Nationalbank, als jede private Geschäftsbank in der Schweiz ihre eigenen Banknoten herausgegeben hat. Die Schweizer Nationalbank hat dann mit dieser Notenvielfalt aufgeräumt und ihren Auftrag gemäss Art. 99 BV umgesetzt.  

Gäbe es also heute private Banken, die ihr eigenes privates Giralgeld schöpfen, dann wäre das völlig illegal. Entsprechend würde man eine solche private Geldschöpfung «Geldfälschung» nennen. Ich stehe klar für eine freie Marktwirtschaft ein und zwar auch für unser Bankensystem. Dabei müssen jedoch meines Erachtens zwei Aufgaben unterschieden und auch getrennt werden: die Geldschöpfung und die Allokation des Geldes. Es ist ausserordentlich wichtig, dass die Geldschöpfung und die Kreditvergabe durch zwei unterschiedliche Institutionen erfolgen. Geldschöpfung ist Aufgabe des Staates, weil Geld ein öffentliches Gut ist, welches dem Gemeinwohl dienen und deshalb durch einen demokratischen Prozess gesteuert werden soll. Die Vermittlung zwischen Spareinlagen und den Kreditbedürfnissen kann jedoch am optimalsten von privaten Banken gelöst werden, welche in freien Wettbewerb, d.h. ohne gegenseitige Absprachen miteinander agieren. 

Mythen sind oft ganz nützlich, vor allem, solange alles gut funktioniert. Doch können sie die scheinbar zufällig gemeinsam auftretenden Systemkrisen erklären, und mentale Landkarten erschaffen, welche die Entwicklung neuer nachhaltiger Lösungen ermöglichen?

Ist in der Schweiz wirklich alles ganz anders als in England und in Deutschland?


[1] «The reality of how money is created today differs from the description found in some economics textbooks…», Seite 14, Quarterly Bulletin 2014 Q1, by Michael McLeay, Amar Radia and Ryland Thomas of the Bank’s Monetary Analysis Directorate

[2] «Most money in the modern economy is in the form of bank deposits (97%), which are created by commercial banks themselves.», Seite 4, Quarterly Bulletin 2014 Q1, by Michael McLeay, Amar Radia and Ryland Thomas of the Bank’s Monetary Analysis Directorate

[3] „Another common misconception is that the central bank determines the quantity of loans and deposits in the economy by controlling the quantity of central bank money – the so-called „money multiplier“ approach. …..While the money multiplier theory can be a useful way of introducing money and banking in economic textbooks, it is not an accurate description of how money is created in reality.“ Seite 15, Quarterly Bulletin 2014 Q1, by Michael McLeay, Amar Radia and Ryland Thomas of the Bank’s Monetary Analysis Directorate

[4] «In reality, neither are reserves a binding constraint on lending, nor does the central bank fix the amount of reserves that are available.» Und: «In no way does the aggregate quantity of reserves directly constrain the amount of bank lending or deposit creation.» Seite 15 u. 16, Quarterly Bulletin 2014 Q1, by Michael McLeay, Amar Radia and Ryland Thomas of the Bank’s Monetary Analysis Directorate

[5] «When a bank makes a loan to one of its customers it simply credits the customer’s account with a higher deposit balance. At that instant, new money is created.“ Seite 11, Quarterly Bulletin 2014 Q1, by Michael McLeay, Amar Radia and Ryland Thomas of the Bank’s Monetary Analysis Directorate

[6] «Because financial assets are claims on someone else in the economy, they are also financial liabilitites – one person’s financial asset is always someone else’s debt. ….If everyone in the economy were to pool all of their assets and debts together as one, all of the financial assets and liabilities – including money- would cancel out, leaving only the non-financial assets.» Seite 7, Quarterly Bulletin 2014 Q1, by Michael McLeay, Amar Radia and Ryland Thomas of the Bank’s Monetary Analysis Directorate.

[7] «The vast majority of money held by the public takes the form of bank deposits. But where the stock of bank deposits comes from is often misunderstood. One common misconception is that banks act simply as intermediaries, lending out the deposits that savers place with them. In this view deposits are typically  ‘created ‘ by the saving decisions of households, and banks then ‘lend out’ those existing deposits to borrowers, for example to companies looking to finance investment or individuals wanting to purchase houses. ….In reality, saving does not by itself increase the deposits or ‘funds available’ for banks to lend. Indeed, viewing banks simply as intermediaries ignores the fact that, in reality in the modern economy, commercial banks are the creators of deposit money.  The description of money creation contrasts with the notion that banks can only lend out pre-existing money, outlined in the previous section. Bank deposits are simply a record of how much the bank itself owes its customers. So they are a liability of the bank, not an asset that coud be lent out.» Seite 15 und 16, Quarterly Bulletin 2014 Q1, by Michael McLeay, Amar Radia and Ryland Thomas of the Bank’s Monetary Analysis Directorate

[8] «A related misconception is that banks can lend out their reserves. Reserves can only be lent between banks, since consumers do not have access to reserves accounts at the Bank of England.» «When banks make additional loans they are matched by extra deposits – the amount of reserves does not change.» Seite 16 u. 25, Quarterly Bulletin 2014 Q1, by Michael McLeay, Amar Radia and Ryland Thoomas of the Bank’s Monetary Analysis Directorate

[9] Norbert Häring, «The veil of deception over money: how central bankers and textbooks distort the nature of banking and central banking», real-world economics review, issue no. 62, 25 March 2013, pp. 2-18, http://www.paecon.net/PAEReview/issue63/Haring63.pdf

[10] Auch die Bank of England schreibt: «Deposit creation or destructioin will also occur any time the banking sector buys or sells existing assets from or to consumers, or, more often, from companies or the government.» Seite 17, Quarterly Bulletin 2014 Q1, by Michael McLeay, Amar Radia and Ryland Thomas of the Bank’s Monetary Analysis Directorate

[11] Lehrbuch der Deutschen Bundesbank für die Sekundarstufe 2: http://www.bundesbank.de/Navigation/DE/Service/Schule_und_Bildung/Unterrichtsmaterialien/Sekundarstufe_2/sekundarstufe_2.html, siehe ab Seite 70, Kapitel 3.5

[12] 1. Quartalsbericht 2014 of the Bank of England: http://www.bankofengland.co.uk/publications/Pages/news/2014/051.aspx («This description of how money is created differs from the story found in some economics textbooks»)

 

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