Muss unsere Kunst
geschützt werden?
In der Wirtschaft sind die Vorteile offener Grenzen offensichtlich. Jedes Land bietet jene Güter an, die es am besten und günstigsten produzieren kann. Arbeitsteilung schafft Wohlstand. Die Schweiz tut gut daran, auf den Anbau von Orangen zu verzichten, weil sie dabei im Vergleich zu anderen Ländern keinen Wettbewerbsvorteil hat. Bei offenen Grenzen profitieren wir stattdessen von einem riesigen Orangenangebot aus vielen Ländern und eröffnen für Entwicklungsländer Exportchancen.
Im Bereich der Kunst sollte das Gleiche in noch weit grösserem Umfang gelten. Kunst überschreitet seit jeher nationale Grenzen. Ein Blick in unsere Kunstmuseen zeigt: die grosse Mehrheit aller hierzulande ausgestellten Kunstwerke wurde im Ausland geschaffen. Wir finden italienische Werke der Renaissance und des Barock, französische Impressionisten, deutsche Expressionisten und amerikanische moderne Kunst. Umgekehrt sind viele Werke von Schweizer Künstlerinnen und Künstlern wie Alberto Giacometti, Meret Oppenheim oder Max Bill in ausländischen Museen zu finden – als «Botschafter» der Schweizer Kunst quasi.
Aktuell findet jedoch eine seltsame Entwicklung statt. In Deutschland, in der EU und im Rahmen der Unesco entstehen Initiativen, die «einheimische» Kunst im Lande zu behalten – in der Folge wird die Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kunstgütern immer schwieriger. Dasselbe wird nun auch für die Schweiz gefordert. Gemäss der Idee des «Kulturgüterschutzes» soll «Schweizer» Kunst nur noch unter eingeschränkten Bedingungen oder gar nicht mehr ins Ausland gelangen können. Was «Schweizer» Kunst ist, wird dabei bürokratisch bestimmt. Es könnte die Nationalität oder der Aufenthaltsort eines Künstlers sein, oder der Gegenstand soll etwas typisch «Schweizerisches» (wie etwa die Alpen) darstellen. Dass eine solche Begriffsbestimmung kaum zielführend sein kann, ist offensichtlich. Würden alle Länder ihre Kunst abschotten, wären das Kunstschaffen und der Kunsthandel gelähmt, im allergrössten Teil der Welt herrschte überschaubar-regionaler Einheitsbrei. Nein, was für andere Güter gilt, gilt auch für Kunst und Kunsthandwerk: von möglichst hoher Durchlässigkeit profitieren alle!