Monetary Regimes and Inflation
History, Economic and Political Relationships
Sicheres Eigentum und stabiles Geld sind die Grundvoraussetzungen für Wohlstand und Wachstum. Seit es Geld gibt, gibt es auch Inflation. Das Begriffspaar «diskretionäres Papiergeld» und «Inflation» ist für die Wirtschaft etwa das, was für die Physik Energie und Entropie ist. Da die Literatur über Inflation reichhaltig ist, hat ein zusätzliches Buch nur dann eine Berechtigung, wenn es eine neue Perspektive bringt. Dies ist beim jüngsten Buch von Peter Bernholz in hohem Masse der Fall.
Anhand einer vergleichenden Analyse moderater und hoher Inflationen, angefangen beim 4. Jahrhundert, arbeitet das Buch die wirtschaftlichen Grundzüge der Inflation heraus und prüft, wie stabil diese sind. Daraus kann Bernholz die wirtschaftspolitischen Massnahmen ableiten, die erforderlich sind, um solche Inflationen zu beenden, sowie erforschen, unter welchen politischen Bedingungen derartige Reformen durchführbar sind. Das Buch untersucht sämtliche der neunundzwanzig Hyperinflationen, von der Französischen Revolution bis in die Gegenwart, wobei «Hyperinflation» definiert wird als eine Inflation mit einer Monatsrate von mehr als 50 Prozent.
Zuerst steht das Verhältnis von länger andauernder inflationärer Entwicklung und der Währungsordnung, wie Gold- oder Silberdeckung gegenüber dem heutigen diskretionären Papiergeld abhängiger oder unabhängiger Zentralbanken, im Blickfeld. Bernholz zeigt, dass wegen der Neigung politischer Systeme zur Inflation die durchschnittliche Inflationsrate um so niedriger war, je weniger die Währungsordnung durch Politiker beeinflusst werden konnte.
In den folgenden Kapiteln werden Inflation bei Geld mit Metalldeckung und moderate Papiergeldinflation untersucht. Inflation bei Metalldeckung beruht entweder auf einem zusätzlichen Angebot des betreffenden Metalls oder auf der Verschlechterung der Währung durch die Habgier der Herrscher (mit ihren beamteten Geldfälschern). Bernholz zeigt, dass die zusätzliche Versorgung mit Gold und Silber nur zu einer sehr begrenzten durchschnittlichen Inflation geführt hat. Sie betrug im 16. Jahrhundert nur etwa 2 Prozent, was mit Bezug auf Spanien überrascht. Nach Greshams law verdrängte bei festem Wechselkurs das schlechte neue Geld das gute Geld, sodass die Versuche der Herrscher, den Folgen der von ihnen selbst initiierten Inflation mit Preis- und Devisenkontrollen beizukommen, keinen dauerhaften Erfolg hatten. Bernholz analysiert auch die Gründe für die Einführung stabiler Währungen – in Anbetracht der politischen Kräfte mag eine solche Einführung in der Tat erstaunlich erscheinen.
Bei den ersten Papiergeldwährungen war das Tempo der Preisniveauerhöhungen grösser als bei der Verschlechterung von Währungen mit Metalldeckung – untersuchte Beispiele reichen von der Ming-Dynastie im China des 14. und 15. Jahrhunderts bis zu Massachusetts, Schweden, dem Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg und dem Amerikanischen Sezessionskrieg (fälschlich Civil War genannt). Bei flexiblen Wechselkursen zeigen sie das heute wohlbekannte Muster, dass die Kaufkraftparitäten weit divergieren können, bei Unterbewertung der inflationierenden Währung bis zu 30 Prozent.
Das folgende Kapitel befasst sich mit den qualitativen Merkmalen der neunundzwanzig Hyperinflationen der Geschichte. Das Muster der Hyperinflation der Französischen Revolution kann bei allen Hyperinflationen des 20. Jahrhunderts – nach der allgemeinen Abkehr von der Golddeckung während des Ersten Weltkriegs und der Grossen Depression – beobachtet werden. Die Rolle von Staatsdefiziten und der darauf folgende Rückgang des realen Geldvorrats sowie Währungssubstitutionen – die Substitution des inflationierenden Geldes durch stabileres Metallgeld oder auswärtiges Geld – in Kombination mit Unterbewertung werden untersucht und Hochinflationsfolgen für die unterschiedliche Entwicklung von Preisen für Kapital, für Wirtschaftstätigkeit und der Arbeitslosigkeit unter die Lupe genommen. Anschliessend wird die politische Ökonomie von Hochinflation mit ihren sozialen und politischen Folgen analysiert. Schliesslich werden die Fäden der vorhergehenden Kapitel zur Darstellung des stilisierten Musters eines Inflationszyklus gebündelt. In solchen Zyklen wird neben dem alten Geld neues Geld eingeführt, um das Defizit zu finanzieren.
Wenn das gute alte Geld aus dem Umlauf völlig verschwunden ist, lässt sich der feste Wechselkurs auch mit staatlichem Zwang nicht mehr halten. Mit der Inflation wird es nun ernst. Sie beschleunigt sich, Währungssubstitution und Unterbewertung setzen ein. Letzten Endes bleibt der Regierung nur eine Währungsreform – sonst verlöre sie ihre monetäre Autorität. Wenn die Reform nicht gelingt, wird das Inflationsgeld vom guten Geld völlig verdrängt. Die Regierung muss nun dieses Geld legalisieren, um das für ihre Existenz unentbehrliche Steuergeld zu behalten. Bernholz führt fünf historische Beispiele für solch abgeschlossene Zyklen an.
Kapitel sieben und acht behandeln die Währungsreform: die politischen Voraussetzungen, die wirtschaftlichen Maßnahmen und die institutionellen Reformen, um moderate Inflationen und Hyperinflationen zu beenden. Eine vergleichende Studie vieler historischer Episoden, in denen moderate Inflationen durch Einführung einer mehr oder weniger stabilen Währungsordnung beendet wurden, sowie aller Währungsreformen, die Hyperinflationen beendeten, führt die Mechanismen vor. Wenn im letztgenannten Fall zwischen einigermassen erfolgreichen und erfolglosen Währungsreformen unterschieden wird, dann wird deutlich, wie notwendig institutionelle Reformen sind, die das Vertrauen in die Währung herstellen, indem sie Regierung und Politiker zurückbinden.
Insgesamt demonstriert das Buch, dass Inflation ein selbstgemachtes Phänomen ist und daher durch menschliches Handeln unterbunden werden kann. Politiker und Zentralbanker, die behaupten, sie stünden quasi Naturgewalten gegenüber, wenn sie auf Hilflosigkeit gegenüber Inflation plädieren, geben nur zu erkennen, dass sie nicht gewillt sind, das überaus wertvolle soziale Gut zu schaffen: eine solide Währung.
Die Lektüre von «Monetary Regimes and Inflation» kann allen empfohlen werden, die sich für die Inflation und ihre vielfältigen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Zusammenhänge interessieren. Das Buch ist eine wahre Fundgrube. Dies gilt nicht nur für Studenten, sondern auch für Ökonomen, Historiker, Politologen und Soziologen sowie für Praktiker aus Wirtschaft und Politik.
Zudem ist das Buch von Bernholz auch hochaktuell als Antidot zur neuerdings gehäuft auftretenden, keynesianisch inspirierten Kritik, die ökonomische Diskussion konzentriere sich zu stark auf das «Inflationsgespenst». Keynes Theorie funktioniert nur in einem System mit diskretionärem Papiergeld – und auch dort nur für kurze Zeit. Wenn Regierung und Notenbank die Geld- und Kreditvolumina jahrzehntelang mit diskretionärem Geld aufgeblasen haben, irgendwann die Blasen platzen, die Verschuldungsgrenzen der öffentlichen und privaten Schulden erreicht sind und das keynesianische Konzept zu kippen und zurückzuschlagen beginnt, dann können die Ökonomen zu Recht sagen, aktuell sei die Inflation «ein Gespenst» und Deflation die eigentliche Gefahr (obgleich das «Gespenst» an den Aktienmärkten ganz real zugeschlagen hat).
Das entspricht der Diagnose eines Arztes, der bei einem Drogensüchtigen im finalen Stadium (zu Recht) konstatiert, jetzt sei ein Kreislaufzusammenbruch aufgrund unvermittelten Entzugs der Droge gefährlicher als die Fortsetzung des Konsums. Wenn die Medizin daraus folgern würde, permanenter und steigender Drogenkonsum sei generell und prinzipiell besser als Entzug und Abstinenz, dann entspräche das den Lehren derjenigen Ökonomen, die noch immer der keynesianischen Theorie anhängen, statt diese Theorie als eine der Hauptursachen der schweren Erkrankung unserer Volkswirtschaften zu entlarven und zu verurteilen.
Gerard Radnitzky war bis zu seiner Emeritierung Professor für Wissenschafts-theorie an der Universität Trier. Seine Veröffentlichungen finden sich unterwww.radnitzky.de.