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Mit gutem Gewissen in Rente gehen
Thomas Eggenberger, zvg.

Mit gutem Gewissen in Rente gehen

Immer mehr Pensionskassen interessieren sich für nachhaltige Anlagen. In der Praxis lauern Hindernisse, doch mit der richtigen Strategie gelingt der Spagat zwischen Rendite und Verantwortung.

Die drei Buchstaben ESG sind aus der Anlagewelt längst nicht mehr wegzudenken. Auch Pensions­kassen kommen kaum mehr um sie herum. Die Abkürzung ESG steht für Environment (Umwelt), Social (Soziales) und Governance (Unternehmensführung). Für diese drei Dimensionen werden überprüfbare Kriterien festgelegt. Auch die 17 Nachhaltigkeitsziele der UNO kann man in diese drei Dimensionen aufteilen.

Der Begriff ESG wird fälschlicherweise oft gleichbedeutend mit «Nachhaltigkeit» verwendet. Es gibt jedoch zwei wesentliche Unterschiede: ESG ist datengetrieben, rückwärtsgerichtet und dient als Input für Entscheidungen. Nachhaltigkeit ist ergebnisorientiert, vorwärtsgerichtet und beurteilt die Wirkung (Output) der Investitionen.

Die lange Frist zählt

Nachhaltigkeit und ESG sind für Pensionskassen hochrelevant. Denn: Nicht die kurzfristige Gewinnoptimierung, sondern die langfristige Wertschöpfung ist die Kernaufgabe einer Vorsorgeeinrichtung. Eine nachhaltige Ausrichtung behält langfristige Trends und Risiken wie den Klimawandel, Ressourcenknappheit und gesellschaftliche Veränderungen (beispielsweise veränderte Konsumpräferenzen) im Auge und hilft, diese zu bewältigen.

«Nicht die kurzfristige Gewinnoptimierung, sondern die langfristige Wertschöpfung ist die Kernaufgabe einer Vorsorgeeinrichtung.»

Weltweit erlassen Regierungen und Aufsichtsbehörden zunehmend Vorschriften und Richtlinien, die mehr Transparenz und Berichterstattung in Bezug auf Nachhaltigkeit fordern. Um rechtliche Risiken zu vermeiden, müssen Firmen diese Vorschriften einhalten. Die Priorisierung von Nachhaltigkeit führt zudem häufig zu einem besseren öffentlichen Image.

ESG-Faktoren fördern darüber hinaus Innovationen und eröffnen neue Investitionsmöglichkeiten, insbesondere in den Bereichen erneuerbare Energien, nachhaltige Infrastrukturprojekte oder innovative Technologien. Wer sich frühzeitig auf diese Trends ausrichtet, kann von den neuen Wachstumsmärkten profitieren. Das ist übrigens nicht nur ein Vorteil für den einzelnen Investor: Nachhaltige Finanzen fördern die Stabilität des gesamten Finanzsystems, indem sie langfristige Risiken reduzieren und eine widerstandsfähigere Wirtschaft unterstützen.

«ESG-Faktoren fördern Innovationen und eröffnen neue Investitionsmöglich­keiten, insbesondere in den Bereichen erneuerbare Energien, nachhaltige Infrastrukturprojekte oder innovative Technologien.»

Nachhaltigkeit und ESG tragen so zu einer Balance zwischen wirtschaftlichem Erfolg, ökologischer Verantwortung und sozialer Gerechtigkeit bei, was sowohl für Investoren als auch für die Gesellschaft als Ganzes von Bedeutung ist.

Unterschiedliche Strategien

Bei der Entwicklung und Umsetzung der ESG-Berichterstattung gibt es für Pensionskassen einige Hürden. Während bei der Berichterstattung die Kennzahlen von Aktien und Obligationen über Drittanbieter (zum Beispiel Indexanbieter, Ratingagenturen und Researchanalysten) zugänglich sind, ist man bei Immobilien und alternativen Anlagen eingeschränkt. Auch im Bereich Nachhaltigkeit und ESG sind Pensionskassen gewissen Einschränkungen unterworfen. So ist eine Pensionskasse verpflichtet, eine marktkonforme Anlagerendite zu erwirtschaften.

 

Bei der Umsetzung können Überlegungen zu ESG und Nachhaltigkeit auf verschiedene Weisen einfliessen:

Voting und Engagement: Eine Pensionskasse kann aktiv Einfluss nehmen, indem sie ihre Stimmrechte wahrnimmt (Voting) und direkte Dialoge mit Unternehmensleitungen führt (Engagement), um nachhaltige und verantwortungsvolle Geschäftspraktiken zu fördern.

ESG-Integration: Dabei handelt es sich um einen systematischen Ansatz, bei dem ESG-Faktoren in die finanzielle Analyse und Entscheidungsfindung von Investitionen einbezogen werden, um sowohl langfristige Renditen als auch positive gesellschaftliche Auswirkungen zu fördern.

Ausschlussstrategien: Dabei werden Unternehmen aus dem Portfolio ausgeschlossen, deren Aktivitäten als unethisch (Waffen, Pornografie, Glücksspiel etc.), schädlich für die Gesellschaft (Tabak, Alkohol etc.) gelten oder die ­gegen Vorschriften verstossen (Menschenrechte, unwürdige Arbeitsbedingungen etc.).

«Best-in-Class»-Strategien: Diese fokussieren auf ­Unternehmen mit den besten ESG-Ratings.

Themenfonds: Sie konzentrieren sich auf bestimmte ­Bereiche, beispielsweise Energieeffizienz, Wasser- und Windkraft, Solarenergie, nachhaltige Mobilität, Kreis­laufwirtschaft, innovative Technologien.

Impactstrategien: Diese messen die Zielerreichung einer Strategie. Impactstrategien dürfen nicht mit themen­basiertem Investieren vermischt werden. Zudem gibt es im ­Impactbereich auch Projekte mit Renditen, die tiefer sind als die Marktrenditen, da die sozialen Aspekte im Vordergrund stehen. Solche Investitionen können Pensionskassen nicht umsetzen.

Herausforderungen in der Praxis

Bei der Umsetzung der Strategien stehen Pensionskassen vor verschiedenen Hürden. Eine der grössten Herausforderungen bei der Integration von ESG-Kriterien sind die Datenqualität und -verfügbarkeit. Viele Daten sind nicht konsistent oder detailliert genug, was die Vergleichbarkeit erschwert. Schwierigkeiten bereitet in diesem Zusammenhang auch die oft fehlende Standardisierung in den ESG-Berichterstattungen und -Bewertungen. Ratingagenturen und Datenanbieter verwenden unterschiedliche Kriterien und Gewichtungen. Zudem sind die regulatorischen Anforderungen je nach Land und Region unterschiedlich, was die Umsetzung erschwert. Als Reaktion darauf haben die Regulatoren gewisse Harmonisierungen beschlossen, zum Beispiel die EU-Taxonomie, die nachhaltige unternehmerische Aktivitäten klassifiziert.

Greenwashing, also die Irreführung durch Übertreibung oder Falschdarstellung, ist ebenfalls ein ernst zu nehmendes Problem. Wenn Unternehmen ESG- und Nachhaltigkeitsaspekte nur als Marketinginstrument nutzen, untergraben sie das Vertrauen in ESG-Investitionen und erschweren es, wirklich nachhaltige Unternehmen zu identifizieren.

ESG und Nachhaltigkeit konzentrieren sich auf langfristige Risiken und Chancen, während in der Praxis oft die kurzfristigen Ergebnisse analysiert werden. Dies kann die Inte­gration nachhaltiger Projekte in die Anlagestrategie behindern.

Die Umsetzung der Nachhaltigkeit kann zu zusätzlichen Kosten und Ressourcenaufwand führen. Insbesondere für kleinere Pensionskassen kann dies herausfordernd sein, da sie nicht über die gleichen Ressourcen verfügen wie grosse Pensionskassen.

Es besteht Unsicherheit darüber, ob ESG-Investitionen langfristig tatsächlich die erwarteten Renditen erzielen. Einige Studien zeigen, dass Unternehmen mit starken ESG-Profilen langfristig besser abschneiden. Doch es gibt auch Bedenken, dass Restriktionen und höhere Kosten die Performance beeinträchtigen könnten.

Interner Widerstand gegen Veränderung kann ebenfalls eine Herausforderung sein. Traditionelle Denkweisen und Geschäftsmodelle sind manchmal schwer zu ändern, insbesondere wenn damit kurzfristige finanzielle Mehrkosten verbunden sind.

Pensionskassen können im Bereich ESG und Nachhaltigkeit eine entscheidende Rolle spielen, da sie bedeutende institutionelle Investoren sind und damit einen erheblichen Einfluss auf Unternehmen und Märkte haben. Idealerweise profitieren so alle: die Versicherten, verantwortungsvoll handelnde Firmen und die Umwelt – eine klassische Win-win-win-Situation.

 

Checkliste: Das können Pensionskassen tun

Welche konkreten Schritte können Pensions­kassen nun unternehmen? Die folgende, nicht ­abschliessende Liste kann als Anregung dienen:

  • Pensionskassen können ESG-Aspekte in ihre Anlage­strategien integrieren und bei der Auswahl von ­Vermögensverwaltern ESG-Kriterien systematisch ­berücksichtigen.
  • Ebenfalls können die Kassen aktiv in nachhaltige ­Anlagen wie Green Bonds, erneuerbare Energien, ­nachhaltige Infrastrukturprojekte oder Unternehmen mit hoher ESG-Bewertung investieren.
  • Empfehlenswert sind regelmässige Schulungen und ­Weiterbildungen, um die Kompetenzen der Mitar­beiter im Umgang mit ESG-Risiken und -Chancen zu stärken.
  • Die Pensionskassen sollten ihre Versicherten über die ESG-Strategie und die erzielten Fortschritte infor­mieren, um das Bewusstsein und die Unterstützung für nach­haltige Investitionen zu erhöhen.
  • Sie sollten Investitionen in Unternehmen priorisieren, die sich durch eine herausragende ESG-Performance auszeichnen oder in Branchen tätig sind, die zur ­Erreichung der Nachhaltigkeitsziele der UNO beitragen.
  • Die Definition von Negativlisten und Ausschluss­kriterien kann sinnvoll sein, um Investitionen zu ­identifizieren, die gegen ESG-Prinzipien verstossen (­beispielsweise ­fossile Brennstoffe, Waffenproduktion oder Menschenrechtsverletzungen).
  • Pensionskassen können neue technologische Möglich­keiten nutzen, um ESG-Risiken und -Chancen präziser zu bewerten und bessere Investitionsentscheidungen zu treffen – insbesondere Big Data, künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen. Hilfreich kann auch die ­Blockchain-Technologie sein, um die Nachver­­folg­barkeit von ESG-Daten in der Lieferkette und die Transparenz bei der ESG-Berichterstattung zu ver­bessern.

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