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Mit den Alpen gegen den Feind

Dominik Schnetzer: «Bergbild und Geistige Landesverteidigung». Zürich: Chronos, 2009

Es gibt Bücher, die man mit Interesse liest und denen man im einzelnen oft zustimmen kann, die man aber in ihrer Tendenz nur bedingt billigen mag. So ging es mir bei der Lektüre von Dominik Schnetzers Dissertation «Bergbild und Geistige Landesverteidigung», die vom Zürcher Professor Jakob Tanner betreut und im Rahmen eines Forschungsprojekts des Nationalfonds verfasst worden ist. Der Verfasser geht von der bekannten Tatsache aus, dass die Alpen im Schweizer Bewusstsein einen geistigen Bezugsort darstellen, der identitätsstiftend wirkt und in dem wir uns selbst zu erkennen glauben. Schnetzer zeigt, wie sich zwischen dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg die «visuelle Inszenierung des Alpenraums» in den Darstellungen illustrierter Zeitungen vollzogen hat. In sorgfältiger, gut nachvollziehbarer Analyse wird die Wechselwirkung von Darstellung und Wahrnehmung der Alpen vor dem Hintergrund ihrer verkehrsgeschichtlichen und alpinistischen Erschliessung sichtbar gemacht und eine überzeugende «Typologie des Bergbildes» entwickelt. Im zweiten Teil seiner Arbeit bezieht der Autor den Film in seine Betrachtung ein. Er zeigt auf differenzierte Weise, wie das Bild der Alpen im Ton- und Spielfilm mit konservativen, heroisierenden und xenophoben Elementen angereichert und als Instrument der Volkserziehung eingesetzt wurde. Von der kritischen Interpretation ausgeprägt patriotischer Filme wie «Die Herrgottsgrenadiere» und «Füsilier Wipf» gelangt Schnetzer zu einer scharfen Kritik an der «Geistigen Landesverteidigung», der er vorwirft, die rückwärtsgewandte, antiliberale Botschaft, wie sie vom Alpenbild der Illustrierten und des Films ausgegangen sei, übernommen zu haben. So habe die «Geistige Landesverteidigung» mitgeholfen, die restriktive Flüchtlingspolitik der Schweiz und die Kooperation mit Nazideutschland zu ermöglichen.

Viele der Fragen, die Schnetzer in seinem grosszügig illustrierten Werk stellt, sind methodisch originell, und viele seiner Antworten sind einleuchtend. Ein Nachteil dieser Arbeit scheint mir jedoch darin zu liegen, dass der Autor die Bedrohungssituation, der sich unser Land spätestens nach 1933 ausgesetzt sah und die das Bild der Alpen wesentlich mitbestimmt haben dürfte, völlig ausser Acht lässt. So wird zu wenig bedacht, dass die «Geistige Landesverteidigung» sich nicht das Ziel setzte, Flüchtlinge zu retten oder Handelsbeziehungen zu unterbinden, sondern die schweizerische Bevölkerung im Widerstand gegen Faschismus und Nationalsozialismus zu einigen und dadurch die territoriale Integrität unseres Landes sicherzustellen. Dieses Ziel ist, wie schon der enorme Publikumserfolg «Füsilier Wipfs» zeigt, erreicht worden, und es ist schwer vorstellbar, welch anderes Symbol damals ebenso wirksam hätte eingesetzt werden können wie eben das unserer Alpen. Ob es dann richtig war, die «Geistige Landesverteidigung» im Kalten Krieg inhaltlich unverändert zu perpetuieren und dadurch die Isolation der Schweiz zu zementieren – das freilich ist eine andere Frage…

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