Mit dem Joystick am Saugbagger
Für einen Tag darf ich in die Rolle eines Bauarbeiters schlüpfen. Das Umleeren von Bauschutt erweist sich als meditative Erfahrung.

In Tiefenbrunnen bin ich jeweils im Schwimmbad oder mit meinen Freunden im «Fischerstübli» bei einem Getränk. Heute aber öffnet sich unter mir ein Graben: Ich begleite Bauarbeiter auf einer Grossbaustelle an der Bellerivestrasse. Direkt neben dem Bahnhof, bei der Autop-Waschanlage. Hier wird gearbeitet, gebohrt, gesaugt und geschaufelt – und ich mache mit.
Wie eingeladen stehe ich pünktlich um 9 Uhr da. Mein ausgeleierter Adidas-Turnsack mit meinen lange nicht mehr geputzten Zivilschutzkampfstiefeln wirkt hier etwas fehl am Platz. Ich werde freundlich empfangen von Saugbaggerfahrer Pascal Bruder, meinem Ansprechpartner. Ich ziehe mich in einer gelben Baracke um und erhalte Helm, Hose und Shirt in leuchtendem Orange. Dazu kommen Ohrstöpsel gegen den Lärm. Es erinnert mich sofort an meine Einsätze im Zivilschutz.
Auf der Baustelle sind zwei Fahrzeuge im Einsatz: ein klassischer Bagger und ein Saugbagger der Fricktaler Firma Ernefant, den ich begleiten darf: Er saugt Schutt aus dem Graben. Die Ernefant-Saugbagger entfernen Materialien wie Erde, Kies, Schutt und Schlamm. Das Absaugen von Erde im Bereich der Leitungen ist schonender als der Einsatz eines herkömmlichen Hydraulikbaggers. Diese Technik wird im Bauwesen, bei Sanierungen, in der Industrie und bei Notfällen eingesetzt. Sie erweist sich als besonders vorteilhaft für schwer zugängliche Stellen oder Bereiche mit unterirdischen Leitungen. Rund 1300 Mitarbeiter sind bei der Firma beschäftigt. Mit ihren roten Fahrzeugen und den markanten Saugrohren erinnern sie an Elefanten – daher der Name Ernefant.
Bevor auf der Baustelle irgendwas gesaugt werden kann, muss zuerst der Asphalt abgetragen und die Strasse gesperrt werden. Die Bellerivestrasse zählt zu den wichtigsten Verkehrsadern zwischen der Goldküste und der Stadt Zürich. Für 14 Monate bleibt sie auf einem Abschnitt zweispurig, da alte Wasser- und Abwasserleitungen erneuert werden müssen. Über Nacht schraubte der Kanton die Höchstgeschwindigkeit von 60 auf 50 Kilometer pro Stunde herunter – sehr zum Unmut der Autofahrer. Für das Bauprojekt zahlt der Stadtzürcher Steuerzahler 22,5 Millionen Franken.
Nicht wie bei der Playstation
Zwei Firmen arbeiten auf der Baustelle zusammen: Ernefant, verantwortlich für die Saugarbeiten, und eine ortsansässige Tiefbaufirma, die für das Verlegen der Kabel zuständig ist. Der Fahrer des Saugbaggers steuert das Saugrohr präzise mit einem Joystick, während andere Arbeiter den Weg im Graben freischaufeln. Grosse Felsbrocken werden von Hand weitergereicht. Bei Bedarf unterstützt ein klassischer Bagger die Arbeiten, besonders wenn Betonplatten mit Ketten herausgezogen werden müssen. Für harte Materialien greifen die Arbeiter zur Spitzhacke, bei besonders widerstandsfähigem Untergrund kommt der Bagger mit einem Abbruchhammer zum Einsatz.
Auch ich durfte den Joystick des Saugbaggers bedienen – allerdings nicht zum Absaugen des Schutts im Graben. Meine Hauptaufgabe für den heutigen Tag besteht vielmehr darin, den Schutt nach dem Aufsaugen in eine Mulde umzuleeren. Der Fahrer schmunzelt, als ich die Steuerung zum ersten Mal übernehme. Im Gegensatz zum Playstation-Controller verfügt dieser Joystick über drei Analogsticks. Die Bedienung ist zwar komplexer, macht aber Spass. Beim zweiten Mal habe ich schon den Dreh raus. Bevor mit dem Saugen begonnen werden kann, wird ein zusätzliches Rohr am Saugschlauch montiert, um tiefer in den Graben zu reichen. Bei maximaler Leistung kann der Saugbagger bis zu 140 Kilogramm Material auf einmal aufnehmen – vorausgesetzt, es passt durch das Rohr.

Die Ohrstöpsel zum Lärmschutz werden mit der Zeit in meinen Ohren unangenehm. Neben dem Umkippen des Bauschutts in die Saugmulde wird mir auch die Aufgabe zuteil, darauf zu achten, dass das Saugrohr nicht an Verkehrsschilder oder elektronische Anzeigetafeln stösst. Alle anderen blicken in den Graben – ich muss nach oben schauen. Hin und wieder verstopft das Rohr. In solchen Fällen wird manuell mit der Schaufel oder dem Hammer Abhilfe geschaffen. Auch der Fahrer klopft mit dem Hammer gegen das Rohr, um den Durchfluss wiederherzustellen.
«Meine Hauptaufgabe für den heutigen Tag besteht darin, den Schutt nach dem Aufsaugen in eine Mulde umzuleeren.»
Hinderliche Sicherheitsanforderungen
Pascal Bruder schloss 2013 eine Lehre als Bauarbeiter ab. Nach einigen Jahren bei einer anderen Saugwerkfirma wechselte er zu Ernefant, wo er nun seit mehreren Jahren arbeitet. Auf meine Frage, wie ihm sein Beruf gefalle, antwortet er begeistert: «Es ist der beste Job!» Er geniesst die Arbeit im Freien und den täglichen Wechsel der Einsatzorte. Als Lastwagenfahrer schätzt er am Saugbagger besonders, dass er in Bewegung bleibt und nicht nur auf dem Fahrersitz verharrt. Um den Joystick zu steuern, muss er immer aussteigen und direkt in den Graben blicken. An der Stelle, wo ich stehe, wird 1,10 Meter tief gegraben. An anderen Stellen sogar bis 1,40 Meter. Schwarze Kabelschutzrohre werden von der besagten Tiefbaufirma verlegt, durch die später Kabel gezogen werden. Sie schützen vor Feuchtigkeit und mechanischer Belastung.
«Für manche mag die Tätigkeit des Saugbaggerfahrers etwas repetitiv erscheinen, doch aus meiner Sicht hat sie sogar etwas Meditatives und Beruhigendes an sich.»
Um 15.20 Uhr wird der Rapport gemacht – mein Arbeitstag endet zu meiner Überraschung bereits. In aller Regel beginnen Bauarbeiter ihre Arbeit früher und hören später auf. Erleichtert ziehe ich in der gelben Baracke meine Arbeitskleidung aus. Nicht etwa, weil die Arbeit auf dem Bau so mühselig war, sondern weil ich endlich meine unbequemen Kampfstiefel loswerden kann. Ich schlüpfe zurück in meine Alltagskleider.
Es war wertvoll zu erfahren, wie der Tagesablauf eines Saugbaggerfahrers aussieht. Den Joystick zu bedienen verleiht der Arbeit einen gewissen spielerischen Charakter. Gerne hätte ich die Leute auf der Baustelle mehr unterstützt. Als ich einen Bauarbeiter fragte, ob ich im Strassengraben beim Schaufeln helfen könnte, musste er aus Sicherheitsgründen ablehnen. Daher beschränkte sich meine Arbeit leider hauptsächlich auf das Umleeren des Bauschutts und darauf zu achten, dass der Saugbagger keine Strassenschilder berührt. Für manche mag die Tätigkeit des Saugbaggerfahrers etwas repetitiv erscheinen, doch aus meiner Sicht hat sie sogar etwas Meditatives und Beruhigendes an sich.
Würde ich diese Arbeit selbst täglich machen wollen? Von meinem Naturell her bin ich definitiv ein Kopfmensch. Ich bin ein scheusslicher Handwerker und verneige mich vor jenen, die solche Arbeiten wie die des Saugbaggerfahrers verrichten – besonders wenn man bedenkt, dass sie bei jedem Wetter, ob Sturm, Wind, Schnee oder Regen, täglich draussen sein müssen.