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Milizpolitiker im Staatssold

Viele Parlamentarier sind auch beruflich für Behörden tätig. Das Milizsystem wird so zur Farce.

 

Das Prinzip des Milizsystems ­besteht darin, dass Politiker vielfältige Erfahrungen in ihr Amt einbringen. Die Rea­lität ist heute eine andere. Nicht nur sind eine wachsende Zahl von ­National- und Ständeräten Berufspolitiker. Die Idee, dass Politiker nicht vom Staat abhängig sind und ein zweites Standbein haben, verkommt auch zur Farce, wenn dieses zweite Standbein … der Staat ist.

Dass dies bei vielen Amtsträgern der Fall ist, zeigt ein Blick auf die Interessenbindungen, die eidgenössische Parla­mentarier offenlegen müssen. Die mediale Debatte fokussiert dabei auf Verwaltungsratsmandate und andere Posten in der Privatwirtschaft. Diese können durchaus zu Interessenkonflikten führen. Dasselbe gilt allerdings für Interessen­bindungen zu offiziellen Kommissionen, Verbünden, staatlichen Konzernen und öffentlich-rechtlichen Stiftungen. Von den Mandaten, die Parlamentarier per Anfang 2021 an­gegeben hatten, kamen rund ein Zehntel, 186, von staatlichen Akteuren im strikten Sinn. (Nicht darin enthalten sind staatlich dominierte Vereine oder Organisationen, die in öffent­lichem Auftrag und mit staatlicher Finanzierung tätig sind, ebenso wenig private Firmen, die von staatlichen Aufträgen leben.) Einige der Mandate sind für ein Nebenamt sehr lukrativ. So erhält der freisinnige Urner Ständerat Josef Dittli als Verwaltungsratspräsident von Swisslos 55 000 Franken pro Jahr. 87 Parlamentarier verfügen über mindestens eine Interessenbindung zu einem staatlichen Akteur, wobei die verhältnismässig starke Vertretung von Parlamentariern in der Mitte des politischen Spektrums auffällt. So kommt Die Mitte auf 32 Verbindungen, die FDP gar auf 55 – von wegen Wirtschaftsfilz.

Das passt in das Bild eines neuartigen Typs von Parlamenta­riern, deren Karrieren ganz auf die Politik ausgerichtet sind. Sie sind nicht zwingend Berufspolitiker, gehen aber in ihrem «Hauptberuf» Tätigkeiten nach, die einen engen Bezug zur ­Politik aufweisen. Das dürfte nicht ohne Auswirkungen auf das Denken und Handeln dieser Politiker bleiben. Wie lautet doch die Weisheit: Wenn du einen Hammer hast, sieht jedes Problem wie ein Nagel aus. Viele Parlamentarier haben keine Kenntnisse von anderen Werkzeugen als dem staatlichen Hammer – und greifen entsprechend häufig auf ihn zurück.

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