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mich denkt strengen an

Christoph Simon: «ein pony in nachbars park, ein rennpferd in meinem». Zirl: Edition BAES, 2009.

Eingangs entführt ein Seemannslied in andere Welten, erweist sich dann aber doch als binnenlandverortet: «nicht schifferfahren sind wir, das nicht aber / postautofahren ähnelt seegang.» Wohl wahr, und Lyrik kann sowohl ein Pony (hü-Pony-hü), als auch ein Rennpferd (hopp-hopp-Galopp) sein.

Im Februar 2010 erscheint im Bilgerverlag der neue Roman von Christoph Simon: «Spaziergänger Zbinden». Als Romanautor kennt man den in Bern lebenden Autor seit seinem erfolgreichen Debüt (2001): «Franz oder Warum Antilopen nebeneinander laufen». Es folgten Auszeichnungen, zufliegende Herzen und die Romane: «Lluna Lena» (2003; ohne Dachs) und «Planet Obrist» (2005; mit Dachs). Abgesehen vom Romancier Christoph Simon gibt es aber auch den Kinderbuchautor – «Häsin Mels und Hase Fritz und der Teichgruselgolz» (2008) – und den Lyriker Christoph Simon zu entdecken.

«ein pony in nachbars park, ein rennpferd in meinem» ist in der österreichischen Edition BAES erschienen, einem Kleinverlag, der in Zirl in Tirol beheimatet ist. Den Umschlag zieren zwei vom Autor illustrierte Klappsessel (patent) und ein Federball (leicht), im Inneren dann 46 gut geschliffene Gedichte. Es gibt keine Gliederung; die Texte lassen sich dafür in fünf grosse Themenbereiche einteilen: Lieder (Seemanns-, Wander-, Kinder-, Klage-, Weichnachts-, Jäger-, Punkrock-, Liebeslied, Folksong und Requiem), Lebensläufe (I–IV), Sternstunden der Berner Geschichte (I–VI), 6 Gedichte in memoriam Carlo E. Lischetti und daneben noch Abgründiges über die Menschen, die Männer und das lyrische Ich.

Entschlossenen Männern begegnen wir, die mutierte Küken im Container durch Zerstampfen erlösen. Aber auch listigen Männern, die wissen, wie man sich’s im Beziehungsleben einrichtet: «anfangs bat ihn seine gefährtin, ihr gelegentlich beim / geschirrspülen zu helfen. da konnte er nicht nein sagen, aber / er liess einen teller fallen oder zwei, das half.» Ja, «gute männergeschichten wärmen das herz». Frauen teilt das lyrische Ich in folgende Kategorien ein: «neben gütigen frauen gibt es noch zwei sorten: / baumfrauen, vor denen man auf einen baum klettert, / steinfrauen, nach denen man vom baum hinunter steine wirft.» Ausserdem geht es über den Zusammenhang von Erfolg und Manieren, Hilfe zur Selbsthilfe für das Konto im Minus und immer wieder auch um das Bett und den Schlaf: «der schlaf ist ein / vom tourismus noch kaum berührter ort.»

Ein Schelm die Romanfigur Franz Obrist, ein Schelm auch dieses lyrische Ich. Ironie und Lakonie in bestechender, nicht aufdringlicher Form. Augenzwinkernd authentisch wird hier in den Lebensläufen über das Werden und Sein eines Autors berichtet: «die familie war nicht erbaut von seinem berufswunsch.» Aber er liess sich nicht beirren; denn «nur selten hat er im untergeschoss seines gemüts zu tun». Wichtig in diesem Geschäft ist Durchhaltevermögen, Pragmatik und eine gute Portion Selbstironie: «zur ersten lesung in der / landeshauptstadt innsbruck bringt der veranstalter eine / eisenbahnschwelle mit, legt sie über zwei kisten bier / und schafft so sitzgelegenheiten für die fünf zuhörer.» Alles kein Grund zum Verzweifeln denn – und so lautet der Titel des letzten Gedichts: «DIE WUNDER SIND MEISTENS SO, DASS MAN SIE ÜBERSIEHT».

Auf dass dieser wunderliche Gedichtband keine Erscheinung bleibe, sondern greifbar und lesbar werde, geht’s noch einmal ins Bett: «wer mich wirklich gern hat, / legt mich hin.» Möge diese Botschaft die Buchhändler erreichen und in ihrer Verkaufstischgestaltung beeinflussen.

vorgestellt von Markus Köhle, Wien

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