Metamorphose einer Liberalen
Schreib auf, was du denkst», rief der Chefredaktor vor 2,5 Jahren am Telefon. Ich? Ein Wort, das bis anhin in meinen Texten nicht vorkam: Im pseudoneutralen «man» hatte ich stets meine Ansichten untergebracht, wie alle anderen Kommentatoren des politischen Geschehens. Das war mein Thema: nicht nur die monatliche Kritik einer politischen Debatte lohnt, sondern vor allem diejenige an einer von Männern geformten Debattenkultur, weil sie mitunter genau da aufhört, wo es spannend wird.
Je mehr Zeit verstrich, desto vogelfreier wurde ich, meine – wie CVP-Präsident Gerhard Pfister über Twitter verlauten liess – «liberal-feministische Kritik» zu pflegen. Auch wenn Pfister stets ein dank- und streitbarer Leser meiner Texte war: die eigentlichen Adressaten waren die Liberalen, und dass von ihnen wenig geistreiches Feedback kam, ist für mich ein weiterer Hinweis darauf, dass, wer sich hierzulande liberal nennt, damit meist nur «wirtschaftsliberal» meint. Also: Gesellschafts- wie Rechtsstaatspolitik «so mitnimmt», wenn sie «sich denn nicht vermeiden» lassen. Hier öffnet sich ein Graben zwischen einer neuen liberalen Bürgerrechtsbewegung im Land und jenen, die eigentlich Konservative sind. Minderheitenrechtsschutz? Vereinbarkeit von Familie und Beruf? Privatsphäre für alle? Mehr Transparenz in der Politik? Mehr Partizipation der Frauen in der Wirtschaft? Überall herrscht Handlungsbedarf, und eigentlich sind das Chancen, sich freiheitlich-fortschrittsoptimistisch in Stellung zu bringen und Politik zu machen, die nicht Geschenke verteilt und abhängig macht – sondern es Ihnen und mir ermöglicht, unsere Potenziale zu nutzen.
Ich hoffe, dass bei Ihnen daheim die eine oder andere Debatte aufgrund einer meiner Kolumnen geführt wurde, denn ehrlich-kritischer Diskurs ist für unser Land ein besonders hohes Gut − und die niederschwelligste politische Partizipation. Mit dieser letzten Kolumne für den «Monat» danke ich für Ihre Aufmerksamkeit. Auch Ihnen, Herr Pfister!