Menschen auf ihre Herkunft zu reduzieren, ist ein Fehler – egal ob es negativ oder positiv gemeint ist
Übertriebene Empfindlichkeit gegenüber angeblicher Diskriminierung hilft niemandem. Im Gegenteil: Sie untergräbt die Meritokratie und damit das Fundament der offenen Gesellschaft.

Am Tag gegen Rassismus geschah das Unvermeidliche: Die Solothurner SP-Nationalrätin Farah Rumy brach ein Interview ab, weil sie auf ihre Herkunft angesprochen wurde. Der Journalist fragte, ob ihre Forderung nach einer höheren Gewichtung sozialer und ökologischer Standards im Freihandelsabkommen mit Indien etwas mit ihrem ethnischen Hintergrund zu tun habe. Rumy fühlte sich «reduziert», warnte auf Instagram vor «Alltagsrassismus» und wurde dafür tausendfach beklatscht.
Was ist eigentlich geschehen? Eine kritische Nachfrage, wie politische Anliegen und persönliche Erfahrungen zusammenhängen – das ist im Journalismus legitim. Gerade wenn sich jemand moralisch über ein Abkommen erhebt, muss es erlaubt sein, nachzufragen, woher die moralische Autorität kommt. Rumy will offenbar Gleichbehandlung – aber bitte keine kritischen Fragen.
Diese neue Empfindlichkeit ist kein Fortschritt, sondern ein Rückschritt. Denn sie kehrt das Problem um: Früher wurde Herkunft gegen Menschen verwendet. Heute wird sie zur Schutzmauer. Wer Herkunft thematisiert, wird rasch als Rassist diffamiert – selbst wenn die Thematisierung sachlich begründet ist.
«Früher wurde Herkunft gegen Menschen verwendet. Heute wird sie zur Schutzmauer.»
Leistung und Charakter
Die eigentliche Bedrohung liegt nicht allein im Rassismus, sondern ebenso in seiner politischen Instrumentalisierung. Beides entspringt demselben Geist: dem Kollektivismus. Beide Seiten – Rassisten wie Antirassisten – teilen die Überzeugung, dass Herkunft, Hautfarbe oder Gruppenzugehörigkeit wichtiger seien als das Individuum. Der Unterschied: Rassisten diskriminieren offen, Antirassisten bevorzugen selektiv und nennen die Diskriminierung «Gerechtigkeit». Doch beides führt zur Spaltung – und zur Auflösung individueller Freiheit.
Rassismus ist gefährlich. Aber er wird nicht durch Verbote besiegt. Denn Rassismus ist eine Denkweise, die nicht per Gesetz verboten werden kann. Man kann Handlungen sanktionieren – ja. Aber wer glaubt, der Staat müsse auch die Gedanken der Menschen kontrollieren, der fordert eine Gesinnungspolizei.
«Rassismus ist eine Denkweise, die nicht per Gesetz verboten werden kann.»
Die klügere Antwort lautet: Meritokratie. Eine Gesellschaft, in der primär Leistung und Charakter zählen. Erfolgreiche Unternehmer wählen Mitarbeiter nach Kompetenz aus – nicht nach Hautfarbe, Religion oder Geschlecht. Alles andere wäre wirtschaftlicher Selbstmord.
Man stelle sich ein Eishockeyteam vor, das seine Spieler nicht nach Können auswählt. Wer würde auf den Topscorer verzichten, nur weil er eine andere Haarfarbe hat?
Anerkennung als Basis
Das Leistungsprinzip wird heute von beiden Seiten angegriffen: von jenen, die Menschen wegen ihrer Herkunft ausschliessen – und von jenen, die ihnen auf ewig einen Opferstatus zuweisen wollen.
Die Schweiz ist kein rassistisches Land. Sie ist eines der weltweit beliebtesten Einwanderungsländer. Wohl kaum würden Tausende Menschen aus afrikanischen oder arabischen Ländern hierherkommen, wäre die Schweiz so rassistisch, wie gewisse linke Kreise das behaupten.
Rassismus existiert – aber nicht flächendeckend. Was zunimmt, ist etwas anderes: die moralische Erpressung durch identitätspolitische Gruppen, die unter dem Etikett «Antirassismus» ihre Kritiker mundtot machen wollen.
Antirassismus ist wichtig, wenn er Menschen schützt. Er wird gefährlich, wenn er sie in Gruppen einteilt. Denn wer Menschen auf ihre Herkunft reduziert – sei es negativ oder positiv – macht denselben Fehler.
Anerkennung ist das Fundament einer offenen Gesellschaft. Nicht Verbote. Nicht Quoten. Und nicht Empörung. Wir alle sind mehr als unsere Hautfarbe oder Herkunft.