Meinungen werden zum Statussymbol
Julie Bindel, zvg.

Meinungen werden zum Statussymbol

Waren Kaviar und Gänseleber früher der Inbegriff dekadenter Luxusgüter, leistet man sich heute Überzeugungen und symbolische Gesten. Nirgends wird dies deutlicher als in den Debatten um geschlechtliche Selbstidentifikation.

Diejenigen, die das aktivistische Mantra «Ich hätte lieber eine Transtochter als einen toten Sohn» aufsagen, können sich wohl kaum vorstellen, dass die gegenwärtige Transgenderideologie als Dekadenz oder als Luxus bezeichnet werden kann. Schliesslich wird uns konstant eingebleut, dass sich junge Transmenschen scharenweise das Leben nähmen, weil ihnen der Zugang zu Pubertätsblockern, gegengeschlechtlichen Hormonen und Operationen verwehrt werde. Zudem wird uns gesagt, dass Transfrauen in einem besorgniserregenden Ausmass ermordet würden. Wie könnte der Kampf für die basalen Rechte und Bedürfnisse dieser marginalisierten Bevölkerungsgruppe nicht als dringlich erachtet werden?

Die Vorstellung geschlechtlicher Selbstdeklaration ist jedoch staatlich sanktionierter Narzissmus, weil dieser Akt darauf abzielt, den Rest der Gesellschaft – inklusive unseres Rechtssystems – dazu zu zwingen, eine Person als das gegenteilige ihres biologischen Geschlechts anzuerkennen. In einer Welt, in der inhaftierte Transpersonen um Lockenwickler, Wimperntusche und Parfüm in Flaschen bitten, damit sie hinter Gittern ihre Weiblichkeitsperformance fortführen können, fordern Frauen Räume, in denen sie vor männlichen Menschen sicher sind, um die Nacht ohne Angst vor Übergriffen verbringen zu können. Es sind Frauen aus der Arbeiterklasse und andere von Armut betroffene Personen, die gezwungen sind, die Konsequenzen einer völlig dekadenten Mittelschichtsideologie auszubaden. Dekadenz, verstanden als überzogenes Vergnügen oder Luxus, ist ein äusserst westliches Konzept. Es meint einen moralischen wie kulturellen Werteverfall. Allerdings beschränkt sich die Transgen­derideologie nicht auf den globalen Norden. Um den
Berichten von männlicher Gewalt gegen Frauen und Mädchen in all ihren Ausprägungen nachzugehen, reise ich viel und stiess auch in Pakistan, Uganda, Ecuador und in Albanien auf Ausprägungen von Dekadenz. Gleichwohl gibt es etwas, das heute all jene Institutionen und Personen gemeinsam haben, die behaupten, dass «Geschlechtsidentität» gewichtiger als das biologische Geschlecht sei, und zwar institutionalisierten Wohlstand und Bildungsprivilegien.

Hochgebildete Heulsusen

Kürzlich wurde ich an eine Ivy-League-Universität eingeladen, um einen Vortrag über die weltweite Frauenbefreiung zu halten. Der LGBTQQIA+-Ausschuss1 erhob Einspruch mit dem Argument, dass ich derartig transphob sei, dass meine blosse Anwesenheit Suizidgedanken unter den Transstudierenden auslösen und ich ihnen buchstäblich Leid zufügen würde. Zur Besänftigung der Heulsusen wurde ein Seminarraum in ein therapeutisches Behandlungszimmer umfunktioniert. Ausgebildete Betreuer waren vor Ort, der Raum wurde mit Stofftieren übersät und sogar einige Hunde und Katzen zum vorurteilsfreien Schmusen vorbeigebracht. An den Wänden hingen bestärkende Aussagen wie «Transfrauen sind Frauen» und «Nichtbinäre Identitäten gelten».

Während diese verhätschelten Studierenden grundlos jammern, vergessen sie jedoch, dass es Frauen sind, die mit den Folgen männlicher Gewalt zu kämpfen haben. So ignorieren sie zum Beispiel jene Frauen, die 2021 auf einer grossen internationalen Konferenz vor Hunderten Feministinnen davon berichteten, wie sie in Haftanstalten vergewaltigt und gefoltert wurden oder dem Mann, der sie in ihrer Kindheit missbraucht hat, im Gerichtssaal gegenüber­stehen mussten.2 Transaktivistinnen alternieren derweil zwischen dem Auf-die-Knie-Gehen, um der in Grossbritannien für ihr Transsein ermordeten Transmenschen zu gedenken (bis anhin: keine), und dem Hämmern auf die Fensterscheiben von Tagungen, um anwesende Frauen zu beschimpfen, wie im Februar diesen Jahres bei einer Veranstaltung für Frauen geschehen3, die weltweit gegen pa­triarchale Greueltaten kämpfen, darunter die systematische Hinrichtung von Frauen im Iran.4

Missbrauch als Kick

Das Problem, das sich hier manifestiert, liegt in der Kolonisierung der Identität «weiblich». Männer, die sich selbst für Frauen halten, wollen sich einen Spass mit unserer Unterdrückung erlauben – mit anderen Worten: sich selbst etwas Nervenkitzel gönnen.

«Männer, die sich selbst für Frauen halten, wollen sich einen Spass mit unserer Unterdrückung erlauben.»

In seinem Buch «Please Miss. A Heartbreaking Work of Staggering Penis» schreibt der Transaktivist Grace Lavery: «Von Männern wie Dreck behandelt zu werden, hat etwas, das sich wie Bestätigung anfühlt, wie ein Freudenschrei aus dem Innersten meiner Brust.»…