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Meine Akademien

Der Holzschneider Jean-Jacques Volz

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Wie findet man vom Konkreten zum Abstrakten? Von der Mimesis zur Ablösung der Formen und Farben vom Gegenständlichen? Auch im Zufall, in der Aleatorik, sagt Jean-Jacques Volz. So zerstört er seit kurzem – seit 10 Jahren… doch was bedeutet das schon in seinem Alter? – seine Entwürfe, zerschneidet sie in ein halbes Dutzend Teile und setzt diese unmittelbar und ohne Regel oder Plan zu einer neuen Vorlage für einen Holzdruck zusammen. Eine der so entstandenen Serien nennt er etwa «Brekzie» (S. 12), ein Begriff aus der Geologie für ein Gestein, das aus Gesteinstrümmern besteht, die unter hohem Druck verdichtet und zusammengebacken sind. Dass der Zufall nicht zur Willkür wird, dafür sorgt die Intuition und die Erfahrung, die kein langes Überlegen braucht (S. 7, 12, 28 und 29). Auge und Hand denken mit. «Es passt immer alles». Dies erzählt er, lächelnd, die weissen Haare zum Rossschwanz gebunden, während er in seinem kleinen Atelier in der Schaffhauser Altstadt aus einem hohen Holzregal die Mappen hervorholt. Er blättert durch die -Drucke, und mit jedem Blatt, das er wendet, schlägt sich auch eine weitere Episode seines langen Lebens auf.

Vor einiger Zeit hat er mit einem befreundeten Regisseur einen schon lang gehegten Plan wahrgemacht und den Krapp in Samuel Becketts «Das letzte Band» gespielt, den zermürbten alten Mann, der sich die Tonbänder anhört, auf denen er dreissig Jahre zuvor sein Leben tagebuchähnlich kommentiert hatte. Hohn und Bitterkeit sprechen aus Krapp, wie er, verlassen in seinem Zimmer, sich dieses Tor zur seiner sprechenden Vergangenheit öffnet. Doch wie anders ist Jean-Jacques Volz selbst, der, während er eine weitere Mappe aufklappt, ruhig und mit wenigen Worten seine Reisen, die langen Aufenthalte in Schweden, die Zusammenarbeit mit anderen Künstlern oder den Besuch von Ballettaufführungen nachzeichnet, die alle seine künstlerische Arbeit geprägt haben.

Ganz dem Holzschnitt hat sich Jean-Jacques Volz – da war er schon Mitte 50 – erst nach der Aufgabe seines Brotberufs widmen können. Während seiner Arbeitszeit im Büro der Zürcher Lithographischen Anstalt J.E. Wolfensberger konnte er täglich die Herstellung der Steindrucke beobachten, wenn auch ohne direkt daran beteiligt zu sein. Doch genügte diese Erfahrung, um ihn so zu faszinieren, dass er daheim auf dem Küchentisch zu arbeiten anfing. Da dieser unter Kalkstein, Talk und Säure sicher nicht lange standgehalten und der Steindruck wohl auch bald das Budget gesprengt hätte, entschied sich der junge Künstler für den Holzdruck, für den die Voraussetzungen, mit Fichtenbrettern und Rundmessern, vergleichsweise anspruchsloser sind. Lange rieb Jean-Jacques Volz seine Drucke in Handarbeit auf das Papier. Vor rund 25 Jahren mietete er sich dann sein erstes Atelier und kaufte sich später, fast zum Schrottpreis, eine alte Handpresse – eine von den vielen, die nicht mehr gebraucht wurden, als die Druckereien vom Bleisatz auf den Photosatz umstellten. Seither sind auch die farbigen Holzschnitte akkurat, für die er mehrere Druckstöcke anfertigen muss, für jede Farbe einen, die dann nacheinander auf dasselbe Blatt abgezogen werden.

Eine Kunstakademie konnte Jean-Jacques Volz nicht besuchen; neben der Arbeit (wenn er Holzschnitte macht, arbeite er nicht, nein, er nennt es lächelnd «spielen») blieb nur Zeit für ein, zwei Abendkurse in der Kunstgewerbeschule. Die Ausbildug lag stattdessen in der Erfahrung. Eigentlich alles, was er erlebe, so resümiert er, das schule und fliesse in die Kunst ein. Er hält es daher mit Maxim Gorki, der einen autobiographischen Text mit dem Titel «Meine Universitäten» versah, ohne den Besuch einer einzigen Universität überhaupt erwähnt zu haben. Für Jean-Jacques Volz etwa war sein zweites Atelier in Göteburg eine seiner privaten Akademien. In dieser Stadt besuchte der Künstler einst eine Ballettaufführung, in der die Primaballerina in einem Glaskasten tanzte, der so eng war, dass sie sich in keiner Richtung ganz ausstrecken konnte. Beeindruckt von diesem Erlebnis, schnitt er die Folge «Installierte Frau» (S. 51), wie immer mit dem gleichen Ziel vor Augen, das ihn während seiner gesamten künstlerischen Laufbahn begleitet hat: das Erfahrene auszudrücken, ohne die Wahrnehmung des Betrachters auf etwas Gegenständliches festzulegen.

Und während er so erzählt, blättert er Serie um Serie auf, in denen er der Entgegenständlichung durch Variation und forschreitende Abstraktion immer näher kommt, auch wenn dort eine Blüte, hier ein kleines Boot oder ein Ziegenkopf zu erkennen bleibt. An der Wand seines Ateliers hängen die Entwürfe für seine nächste Arbeit. Dicke, schwarze Linien, die Farbe ist nur sparsam eingesetzt, wieder hat er den Zufall als Assistenten genommen. Wer den Titel nicht kennt, der kann den konkreten Ausgangspunkt nur erahnen. (Weitere Abbildungen Titelblatt und S. 33)

Von Jean-Jacques Volz ist u.a. 1999 in der edition peter petrej, Zürich, die Publikation «Geschenke. Ein Totentanz» erschienen. Sie enthält neben 23 handgedruckten Holschnitten Texte von Aglaja Veteranyi.

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