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Mehr Transparenz bei der Politikberatung

Experten als Dialogpartner der Schweizer Bundesverwaltung

Die eidgenössischen Räte haben im Rahmen der Budgetberatung ein Zeichen gesetzt und den Sammelkredit für externe Beratungsaufträge um 17 Millionen Franken auf 154 Millionen gekürzt. Setzt man die Einsparung in Relation zum Gesamtbudget mit Ausgaben von 55 Milliarden und zu anderen Korrekturen mit ungleich grösseren Mehraufwendungen, hat das Parlament hier ein bisschen mit dem kleinen Finger gewackelt. Solch symbolische Aktionen kommen dann zustande, wenn man emotionale Aufwallungen dämpfen will, ohne der Sache auf den Grund zu gehen. Ausgelöst wurde die Staatsaktion durch einen Bericht der parlamentarischen Verwaltungskontrolle, der den Aufwand für Expertenmandate aller Art im Jahre 2004 auf rund 600 bis 700 Millionen Franken bezifferte und damit ein mittleres mediales Strohfeuer entfachte. Kaum berücksichtigt wurde dabei, dass der grössere Teil der pauschalen Aufstellung auf eingekaufte Dienstleistungen wie Informatik, Aus- und Weiterbildung, Organisationsentwicklung und Vollzugsaufträge an private Organisationen – etwa in der Entwicklungshilfe – entfiel. Was undurchsichtig schien – und wofür man zu Recht mehr Transparenz verlangt –, ist die Vielzahl der «politischen» Mandate, wozu neben Expertengutachten auch Kommunikations- und andere Beratungsleistungen gehören.

Selbst Parlamentarier gaben sich erstaunt über die grosse Zahl der Beratungsmandate. Die Kritik blieb jedoch oberflächlich. Gutachten würden immer dann in Auftrag gegeben, wenn man sich um einen Entscheid drücken wolle, hiess es an die Adresse der Verwaltung. Diesen Mechanismus kennt freilich auch das Parlament nur zu gut. Sei es, um heikle politische Entscheide zu verzögern, sei es, um Interessenstandpunkte bei der Kompromisssuche zu kaschieren –immer wieder werden zusätzliche Abklärungen veranlasst, und zwar nicht nur in der Verwaltung, sondern eben auch bei Fachleuten, deren Auswahl wiederum politisch gesteuert ist. Weil sie aus ihrer politischen Arbeit mit dem Einsatz von Beratern vertraut sind, könnten die Parlamentarier ohne weiteres feststellen, wo ein solcher sinnvoll ist und wo nicht. Hier müsste die Verwaltungskontrolle konkret an­setzen. Die pauschale Budgetkürzung liess aber erkennen, dass man sich das Spiel mit diesem Instrumentarium gegenseitig nicht verderben will.

Überblickt man das ganze Spektrum der Sachfragen, mit denen sich die Politik – Parlament, Bundesrat und Verwaltung – auseinanderzusetzen hat, zudem die oft wechselnden Prioritäten und Dringlichkeiten, so wird rasch ersichtlich, dass fachliches Wissen nicht umfassend in einer staatlichen Verwaltung zentralisiert werden kann. Neue Aufgaben müssen vielfach wie Projekte organisiert, für die Bereitstellung von Grundlagen für einige Zeit Spezialisten beigezogen, und – um ausserordentliche Belastungen aufzufangen – zusätzliche personelle Kapazitäten bereitgestellt werden. Das ist in jedem Unternehmen und jeder Organisation so. Entscheidend ist, dass die Führung die richtigen Aufträge erteilt, die Koordination sicherstellt und die Kontrolle behält. Im Unterschied zu Unternehmen und Organisationen mit ihren selbst gewählten, begrenzten Zielen, ist der Aktionsradius der Politik unbeschränkt; der Staat hat sich mit allem zu befassen, was an ihn herangetragen wird. Der grösste Teil seiner Aufgaben ist mit privaten Bereichen eng verhängt.

Es ist daher nicht nur sinnvoll, sondern erwünscht, dass der Staat seine Expertise nicht in einem eigenen Elfenbeinturm hortet, sondern sich des Wissens und der praktischen Erfahrung von Wirtschaft und Gesellschaft bedient.

Er muss wissen, was er bewirkt, wenn er reguliert und Rahmenbedingungen setzt. Der Austausch von Informationen, die detaillierte Analyse der Bedürfnisse aller Mitwirkenden und Betroffenen ist notwendig, um eine massvolle und praxistaugliche Gesetzgebung vorzubereiten. Dafür ist das Vorverfahren entwickelt worden, das mit Expertisen und Anhörungen beginnt und mit der Vernehmlassung endet. Oft spielt sich dann in den parlamentarischen Kommissionen nochmals ein ähnliches Procedere ab.

Die Expertokratie ist somit ein wesentlicher Teil des unerlässlichen Dialogs zwischen Wissenschaft, Wirtschaft, Gesellschaft und Politik. Dass damit gelegentlich auch Schindluder getrieben wird, ist wohl unvermeidlich. Die Forderung, die Verfahren transparenter zu machen und über Aufträge und Ergebnisse von Gutachten zu informieren, würde allfälligen Missständen eher einen Riegel schieben als pauschale Budgetkürzungen. Dann wäre auch der Argwohn vom Tisch, wir würden statt von den Politikern von «geheimen» Beratern regiert. Dafür müsste sich das Parlament einsetzen, auch wenn es damit nicht nur Regierung und Verwaltung, sondern ebenfalls sich selbst diszipliniert.

Ulrich Pfister, geboren 1941, ist Publizist in Zürich.

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