Making Of 1040
Editorial
Die «liberale Gesellschaft» erlebt derzeit eine Renaissance der Restriktionskultur. Auf allen Ebenen versuchen erregte Öffentlichkeit und Politik, unliebsamen Erscheinungen mit immer neuen Verordnungen, Gesetzen und Verboten beizukommen. Das betrifft nicht nur Burka- und Niqabträgerinnen, Hundehalter, Raucher, Arbeitgeber oder Autofahrer auf Parkplatzsuche in Zürich, es betrifft jede Bürgerin und jeden Bürger – selbst die unbescholtensten. Ein vergleichsweise harmloses Beispiel: in der Redaktion müssen wir seit diesem Jahr unsere Arbeitszeiten zentral erfassen. Was Arbeitnehmer in Einzelfällen vor Ausbeutung schützen soll, bedeutet für uns und viele andere kleine Firmen: mehr Aufwand, weniger Flexibilität, steigende Kosten.
Diese Entwicklung lässt sich immer beobachten, wenn neue Regelungen nicht alte ersetzen, sondern ergänzen. Damit sie etwas nützen, braucht es schliesslich neue Kontrolleure (und Kontrolleure der Kontrolleure), mehr Übertretungen führen zu mehr Verfahren – und so steigen die Abgaben in Gemeinden, Kantonen, Ländern oder Staatenbünden munter weiter. Sich «konform» der Regeln zu verhalten wird also nicht nur mit jedem neuen Gesetz schwieriger, sondern auch teurer. Die aktuelle Ausgabe widmet sich an verschiedenen Stellen diesem aktuellen Thema.
Trotz neuen Aufwands bleibt der MONAT am Ball: Thomas Hauser steuert kritische Gedanken zur staatlichen Miss- und Mischwirtschaft bei, wir besuchen ein Startup mitten in Zürich und bitten einen englischen Lord (obendrein Sozialdemokrat) um Schützenhilfe in Sachen EU-Reform.
Das alles tun wir neuerlich ohne unseren langjährigen Mitarbeiter Florian Oegerli, den wir bereits schmerzlich vermissen, ihm aber beim lange angestrebten Masterstudium alles erdenklich Gute wünschen.
Überdehnt: Europa (Dossier)
Europa hat derzeit viele (hausgemachte) Probleme. Eines davon, so Politikwissenschafter Herfried Münkler, liegt aber den meisten anderen zugrunde: die dramatische Überdehnung der Europäischen Union. Ihr ist mit den aktuell populären Debatten um ein «Mehr EU» oder «Weniger EU» kaum beizukommen. Münkler macht deshalb einen valablen Gegenvorschlag. Weitere prominente und konstruktive Einwürfe zur Zukunft unseres Kontinents im Dossier hier.
Prohibition
Verbote sind das einfachste Mittel des Staates, um Bürger zu beruhigen – und das gefährlichste. Wo Verbote gelten, blüht die Schattenwirtschaft, mitsamt Gewalt, Korruption und Folgekosten. Es gehört zu den ältesten Disziplinen des Liberalismus, Nutzen und Schaden von Prohibition für verschiedene Interessengruppen nüchtern zu hinterfragen. Jeffrey Miron, Ökonom in Harvard, schreibt in dieser Tradition seit Jahrzehnten gegen die seiner Ansicht nach desaströse Illegalität von Drogen (und anderen Lastern) an. Es ist eine grosse Ehre, dass Miron speziell für uns einen Essay verfasst hat, der auch den historisch vorbildlich pragmatischen Umgang der Schweiz mit Verboten beleuchtet. Mehr hier.
Nacht des Monats: Letzte Sommernacht
Er hat wunderbar lange gedauert, hat sich jetzt aber doch verabschiedet, der Sommer 2016. Für unsere Redaktorin Olivia Kühni gehören unvergessliche Abende an Flüssen und Seen unvermeidlich zu einem Coming of Age im Schweizer Mittelland. Als Hommage an den gerade verblassenden Sommer beschreibt sie eine Begegnung am Fluss, die gerade wegen ihres unspektakulären Verlaufs so interessant war. Mehr hier.
Short Story: Moderner Noah
Bereits vor über einem Jahr wollten wir die Kurzgeschichte «Wenn es nicht aufhört zu regnen» des mehrfach ausgezeichneten britischen Schriftstellers Jon McGregor abdrucken. Damals waren die Rechte nicht zu bekommen, aufgrund von Umstrukturierungen bei einem deutschen Verlag gingen sie vor wenigen Wochen aber dann doch noch nach Zürich. Folgen Sie also ab hier nun endlich dem wohl jüngsten «Noah» der Literaturgeschichte auf seine abgründige Reise. Ahoi!