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Live on Stage

Holt die Lederhose aus dem Schrank, lasst bei Hemd oder Bluse vier Knöpfe offen, steckt euch die Piratenohrringe an – der Roman «Verlangen nach Drachen» von Verena Rossbacher liest sich wie ein Popstarcasting. Einziges Mitglied der Jury ist die attraktive, aber gnadenlose Clara vom Wiener Kaffeehaus Neugröschl, und wer sie am meisten beeindruckt, darf bei […]

Holt die Lederhose aus dem Schrank, lasst bei Hemd oder Bluse vier Knöpfe offen, steckt euch die Piratenohrringe an – der Roman «Verlangen nach Drachen» von Verena Rossbacher liest sich wie ein Popstarcasting. Einziges Mitglied der Jury ist die attraktive, aber gnadenlose Clara vom Wiener Kaffeehaus Neugröschl, und wer sie am meisten beeindruckt, darf bei ihr bleiben. Rossbacher – in Bludenz geboren, in Zürich ausgebildet – kündigt dieses Festival als «Panoptikum der Glücks- und Sinnsucher» an, doch die Suche bleibt mehr als einmal erfolglos. Mal stimmt der Sound nicht, mal ist die Bühne für die bescheidene Show zu gross. Den Eröffnungsakt «Grün» trifft dabei keine Schuld: unbehauener, dreckiger Blues, geradeaus, motzig – das Neugröschl bebt. Es scheint ein guter Abend zu werden. Danach hat «Kron» einen schweren Stand, das Niveau zu halten. Dem politisch angehauchten Indiepop fehlt der echte Groove. Die Band schrubbt ihren Song herunter, die Zuschauer nicken halbherzig im Takt – der Funke springt nicht über. Noch deutlicher trifft das auf die Fehlbesetzung des Abends zu, den Soloakt «Stanjic», Mann mit Cello, singt eigene Lyrik. Stanjic leidet auf der Bühne und keiner weiss, warum. Es folgt der Auftritt von «Lenau», einer bemühten Joy-Division-Coverband. Die Jungs spulen ihr «Love Will Tear Us Apart» ab, ohne dass satter Rock und weinerlicher Text zusammenfinden. Erst der in die Jahre gekommene, aber quietschlebendige Punkrock von «Wurlicher» bringt Wucht und Wonne zurück in den kopflastigen Abend. Noch einmal wogt das Neugröschl, das Klavier wird zertrümmert und die Fäuste fliegen. Doch als die Stimmung tatsächlich wieder kocht, hat Rossbacher die Idee einer Jam-Session der teilnehmenden Bands. Was folgt, ist ein kakophonisches Geschrammel, bei dem die Musiker bestenfalls eigene Wege gehen und schlimmstenfalls keinen Ton treffen. Clara hört schon längst nicht mehr zu, ist vielleicht sogar gegangen. Insgesamt muss der Produzentin Rossbacher vorgeworfen werden, dass zu viele der Kandidaten nur für den Kopf spielen, nicht für Bauch und Beine. Das ist oft ein ambitioniertes Fiedeln und Herumphilosphieren, aber kein Rock’n Roll. Hängt die Lederhose wieder in den Schrank, knöpft Hemd oder Bluse zu, legt die Piratenohrringe zurück ins Schmuckkästchen.

vorgestellt von Michael Harde, Schalkenbach

Verena Rossbacher: «Verlangen nach Drachen». Köln: Kiepenheuer & Witsch, 2009

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