Libertäre Strohmänner
Gerhard Pfister sieht die Demokratie durch Rufe nach «mehr Milei» gefährdet. Doch wenn etwas undemokratisch ist, dann ein als alternativlos verkaufter Etatismus.
In seiner jüngsten Kolumne in der «Republik» warnt Mitte-Präsident Gerhard Pfister vor «Weimarer Verhältnissen» und sieht die Demokratie gefährdet. Durch wen? Durch Libertäre wie Javier Milei oder Elon Musk – und durch FDP-Chef Christian Lindner, der sich für Deutschland «mehr Milei» wünscht.
Dabei begeht Pfister allerdings drei Denkfehler.
Erstens konstruiert er ein klassisches Strohmannargument, wenn er den Libertarismus mit Demokratiefeindlichkeit gleichstellt. Weil es Libertäre gibt, welche die Demokratie ablehnen, macht er aus Libertären (und Liberalen, die zu staatsskeptisch sind) per se Antidemokraten. Dabei gibt es mehr als genug demokratieskeptische Grüne, Sozialisten und sogar Konservative. Und gerade die Schweiz ist ein Beispiel für die erfolgreiche Symbiose von Liberalismus und Demokratie. Die Liberalen waren im 19. Jahrhundert die Ersten, die ihre Anliegen mittels demokratischer Reformen umzusetzen suchten – mit Erfolg.
Zur Erinnerung: Milei wurde mit 56 Prozent der Stimmen zum argentinischen Präsidenten gewählt. Dass er «vorbei an allen Institutionen, Parlamenten und Volksentscheiden» politisiere, kann nicht ernsthaft behauptet werden.
Zweitens geht Pfister mit keinem Wort auf das ein, was Lindner und andere zum Anlass nehmen für ihre Forderungen nach einem politischen Kurswechsel: die gescheiterte Politik der Ampelkoalition. Natürlich ist Deutschland nicht in der gleichen Situation wie Argentinien. Solches behauptet Lindner auch nicht, wenn er «mehr Milei» fordert. Gleichzeitig zeigen sich immer deutlicher die fatalen Auswirkungen der Politik, die Pfister für Deutschland zu befürworten scheint. Das Land fällt konjunkturell zunehmend hinter die USA, aber auch immer mehr Länder in Europa zurück. Der grüne Traum von «Degrowth» ist unter der Ampelregierung Wirklichkeit geworden. Und nichts, wirklich gar nichts daran ist sozial. Dass die FDP diese Politik nicht mehr stützen wollte, war nicht «leichtfertig», sondern überfällig.
«Der grüne Traum von «Degrowth» ist unter
der Ampelregierung Wirklichkeit geworden.»
Drittens vermischt Pfister die beiden Aspekte – staatspolitische und inhaltliche Fragen – und impliziert, Demokratie lasse sich mit dem Gegenteil von Mileis Politik retten. Das hat Deutschland in den letzten drei Jahren versucht. Das Resultat ist nicht nur wirtschaftlich gelinde gesagt ernüchternd, sondern auch demokratiepolitisch. Immer mehr Menschen haben das Vertrauen in die Politik verloren – nicht wegen irgendwelchen Libertären, sondern wegen der als alternativlos verkauften etatistischen Politik der Ampelregierung, die CDU-Chef Friedrich Merz als Kanzler wohl fortführen wird. Wie das der Demokratie helfen soll, weiss Gott beziehungsweise Gerhard Pfister allein.
Am Ende appelliert Pfister, «das Gemeinsame zu suchen» und «auf das Gespräch zu setzen». Das würde allerdings bedingen, dass man sich mit anderen Positionen ernsthaft auseinandersetzt, statt sie a priori als «antidemokratisch» zu verwerfen.