Lange Nächte
Das Museum (aber auch die Galerie, die Kunsthalle u.ä.) gilt vielen Menschen als eher unbehaglicher Ort intellektueller Anstrengung und emotionaler Kontrolle. Auf dieses Unbehagen reagieren pädagogische Programme und festliche Events, speziell die «Langen Museums-nächte». Sie sollen, Achtung, ein «kunstfernes Publikum» anlocken. Durch Wein (seltener: Weib), manchmal Gesang, aber stets: Spektakel. Erfunden in Berlin, breitete sich das Konzept in rasender Geschwindigkeit in ganz Europa aus.
Gross war die Verstörung, als die Stuttgarter Staats-galerie im vergangenen Jahr aus der dortigen Museumsnacht ausstieg. Direktorin Christiane Lange erklärte dazu: «Es ist ein mittlerweile in die Jahre gekommenes Konzept. Bei genauerem Hinsehen wird der Erfolg nur durch die Einbindung immer neuer nichtmusealer Orte sowie von Theater, Musik und Massenparties gewährleistet.» Frau Lange ist kein Einzelfall: Hinter vorgehaltener Hand klagen viele Museumsleiter über den neuen Zwang zum Event. Es sei kaum noch möglich, sich dem Spektakel zu entziehen, ohne gleich «elitär» zu wirken. Und die Künstler? Auch sie haben wenig vom angeschickerten Eventpublikum, das ihre Werke allenfalls flüchtig wahrnimmt. In den feucht-fröhlichen Museumsnächten kann es durchaus auch passieren, dass die Gäste im Prosecco-Dusel nicht einmal mehr wissen, in welchem Ausstellungshaus sie sich gerade befinden. Und wer nicht weiss, wo er ist, kann ja leider auch nicht wiederkommen – was wohl das Hauptanliegen der Museen (Galerien, Kunsthallen, Sie wissen schon…) wäre. Von den in der Stuttgarter Staatsgalerie während einer «Langen Nacht» verteilten Freikarten jedenfalls wurde später keine einzige eingelöst.
Abseits all dieser Kosten-Nutzen-Abwägungen vermittelt die Museumsnacht aber auch ein verzerrtes Bild: Davon angelockte Erstbesucher könnten annehmen, dass ihnen die Kunstinstitutionen auch werktags derart feucht-fröhliche Amusements bieten. Und wenn sie dann bei Tag wiederkommen, sehen sie nur: Kunst! Was für eine unglaubliche Enttäuschung.