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Kurt Imhof – bei aller Sympathie…

Der Diskurs ist sein Element. Kurt Imhof verstummt kurz, um sich die Frage anzuhören. Es ist, als würde er auf der Lauer liegen. Dann legt er wieder los. Imhof ist ein Meister der allmählichen Verfertigung der Idee beim Reden. Denkpausen, Zögern, Zaudern sind nicht vorgesehen. Seine mäandrierenden Ausführungen münden stets in eine Pointe, die trotz […]

Der Diskurs ist sein Element. Kurt Imhof verstummt kurz, um sich die Frage anzuhören. Es ist, als würde er auf der Lauer liegen. Dann legt er wieder los. Imhof ist ein Meister der allmählichen Verfertigung der Idee beim Reden. Denkpausen, Zögern, Zaudern sind nicht vorgesehen. Seine mäandrierenden Ausführungen münden stets in eine Pointe, die trotz aufwendigem soziologischem Jargon beim Adressaten ankommt. Ist die Pointe gelungen, bricht Imhof selbst in schallendes Gelächter aus. Ein Gespräch mit Imhof ist ein diskursiver Höllenritt (das Resultat können Sie im grossen Gespräch lesen).

Ich wollte den streitbaren Mediensoziologen schon lange treffen, um mit ihm über die Lage jener Industrie zu reden, die durch Finanzierungsschwierigkeiten in eine ebenso kritische wie unternehmerisch spannende Phase getrieben wurde. Die Medienkonzerne in der Schweiz schreiben schwarze Zahlen, aber wie lange noch? Die Einnahmen der Pressetitel aus Inseraten schwinden seit Jahren – die Werbung wandert unwiederbringlich ins Netz, und dort sind es andere Player und Plattformen, die den Hauptteil des Werbekuchens unter sich aufteilen. Zugleich schwindet die bezahlte Auflage der Pressetitel jährlich im höheren einstelligen Prozentbereich. Also haben die Verlage begonnen, mit verschiedenen neuen Businessmodellen zu experimentieren. Das Experiment – ich selbst bin Teil davon – ist noch im Gange. In zehn Jahren wissen wir mehr.

Imhof kommt in dieser Selbstfindungsphase insbesondere zu zwei Befunden, die er Medienvertretern in leicht abgewandelter Form Jahr für Jahr in seinem Jahrbuch «Qualität der Medien» unter die Nase reibt. Erstens: der Qualitätsjournalismus steckt in einer tiefen Krise. Kommerzialisierung = Trivialisierung = Boulevardisierung. Und zweitens: die Medienkonzentration nimmt zu und bedroht die Medien- und damit auch die Meinungsvielfalt.

Für (Print-)Medienunternehmen gelten grundsätzlich die gleichen Regeln wie für Anbieter anderer Produkte auch: Wer keine Abnehmer findet, bekommt die «schöpferische Zerstörung» zu spüren, die in der digitalen Welt gerade neue Blüten treibt. Doch für Imhof steht nichts weniger als die helvetische Demokratie auf dem Spiel. Dabei argumentiert er «aufklärungsliberal»: Demokratie bedeutet «one man, one vote» und beruht darauf, dass sich Menschen eine eigene Meinung bilden können; die Vernunft muss sozusagen täglich trainiert werden, und dazu bedarf sie eines Raums, in dem sie sich frei entfalten kann – die Öffentlichkeit; und es sind die frei zugänglichen Medien, die diese Öffentlichkeit herstellen. Oder umgekehrt: ohne Medien keine Öffentlichkeit, ohne Öffentlichkeit keine Vernunft; ohne Wettbewerb der Argumente und Meinungen keine Demokratie, nur Skandalisierung, Personalisierung, Moralisierung – und «öffentliche Hinrichtungen».

Imhof trägt zwar etwas dick auf, aber es stimmt: Ein echter Wettbewerb der Ideen ist auf vielfältige, unabhängige Medien angewiesen. Um die Unabhängigkeit der Pressetitel in Zeiten schwindender Einnahmen und Leser zu gewährleisten, hat Imhof darum den Vorschlag einer «staatsfernen» Stiftung lanciert. Sie soll sich aus einer zweckgebundenen Zwangsabgabe auf Werbung alimentieren, die letztlich doch wieder der Staat eintreibt. Bei aller Sympathie – das ist keine gute Idee. Eine solche direkte Presseförderung würde das Gegenteil des Intendierten bewirken: das Ende der Unabhängigkeit von Zeitungen und Zeitschriften. Die Verlage würden sich neue Redaktionsstatute nach Vorgabe der angeblich «wissenschaftlichen» Qualitätsstandards verpassen, bloss um an die Fördergelder heranzukommen. Journalisten würden zu einer staatlich approbierten Kaste, die ihre Privilegien schützt. Die Pressetitel würden unter Berufung auf ihre unverzichtbare Rolle als vierte Gewalt die hohe Moral des Etatismus predigen. Und die letzten Leser würden sich von den neuen «Qualitätsmedien» abwenden.

Wie können sich kritische Medien in Zukunft finanzieren? Ich weiss es nicht. Was ich jedoch weiss: Ob jemand liest oder nicht, ist in unseren Breitengraden im Jahre 2013 keine Frage des Preises oder der Bildung, sondern des Interesses. Interesse lässt sich wecken. Es gibt einen Sex Appeal des Denkens und Argumentierens. Ich bin mir ziemlich sicher: Jüngere und junggebliebene Verleger werden ihn neu für ihre Leser entdecken. Und damit ganz schön Geld verdienen.

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