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Kulturschock Maskenfreiheit

Leben wie in der Vor-Corona-Zeit.

 

Nachdem ich monatelang in Europa festgesessen war, flog ich zurück in meine zweite Heimat, nach Sansibar. Früher war meine Flucht vor dem Winter jeweils nur von einer leisen Flugscham begleitet worden. Doch heuer flog die Coronascham mit. Zu Pandemiezeiten reise man nicht, heisst es. Von Reisen kann jedoch nicht wirklich die Rede sein. Ich kehre bloss für ein paar Monate zurück in mein gefühltes Zuhause.

Ich bin mein Leben lang in vielen Ländern gereist, doch als ich dieses Mal in Sansibar ankam, erlebte ich zum allerersten Mal einen Kulturschock: Ich kam aus der Coronawelt und landete an einem Ort, in dem man lebt wie in der Vor-Corona-Zeit. Nach einer Woche in Selbstquarantäne musste ich mich überwinden, in die maskenfreie Welt hinauszu­gehen. Als meine Freunde mich umarmten, versteifte ich mich jedes Mal panisch. Noch immer zucke ich zusammen, wenn mir jemand die Hand reicht (und desinfiziere sie ­sofort heimlich unter dem Tisch).

Zugleich spürte ich körperlich, wie eine immense Anspannung von mir abfiel. Ganz ähnlich fühlte es sich jeweils an, wenn ich als Journalistin aus einem Krisengebiet zurück nach Zürich kam. Erst in dem Moment, als ich den Fuss auf Schweizer Boden setzte, realisierte ich, wie gross zuvor die Anspannung gewesen war, die ständige Alarmbereitschaft, in der sich mein Körper und mein Geist befanden.

Als ich endlich richtig angekommen war, zögerte ich, Bilder von Sansibar auf Facebook zu stellen. Ich hatte keine Lust auf Besserwisserei und (ab)wertende Kommentare, weil ich es gewagt hatte, wegzufliegen. Denn in den letzten ­Monaten hat sich die Schweiz zu einer Fingerzeignation entwickelt, in der jeder mit dem Finger anklagend auf den anderen zeigt. Kleingeistigkeit und Missgunst breiten sich aus. Es ist schwer genug, dass Corona unsere Freiheit ­einschränkt. Der Verlust von Offenheit und gegenseitiger Toleranz wird uns längerfristig unsere persönliche Freiheit rauben.

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