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(7) Kulturmanagement als professionelle Kulturvermittlung

Die Nachfrage nach professionell ausgebildeten Kulturmanagern nimmt auch in der Schweiz zu. Der neue Beruf gewinnt an Profil und ersetzt schrittweise eine Generation von improvisierenden Praktikern.

1999 wurde die erste Kulturmanagement-Ausbildung im Stapferhaus auf Schloss Lenzburg aus der Taufe gehoben. Seither sind aus den Grundkursen privater Institutionen und den Nachdiplomstudien der Universitäten Basel und Luzern sowie der Zürcher Hochschule Winterthur zahlreiche diplomierte Kulturmanager auf den Markt gekommen. Doch den definitiven Durchbruch hat der «neue» Beruf des Kulturmanagers hierzulande noch nicht geschafft.

Bei der jungen Generation zählt die Tätigkeit des Kulturmanagers zu den Traumberufen. Im benachbarten Deutschland hat er sich längst zu einem anerkannten, eigenständigen Metier entwickelt, die Schweiz braucht dafür etwas mehr Zeit. Mit ihren nahezu 1’000 Museen verfügt die Schweiz über die grösste Museumsdichte der Welt, ihre zehn grossen Theaterhäuser machen im Sprech- und Musiktheater wie im Ballettbereich national und international von sich reden. Die Kleintheaterszene lockt mit ihren gut 450 Veranstaltern jährlich über 1,3 Millionen Besucher in die rund 11’300 Vorstellungen. Literatur-, Film- und Sommerfestivals boomen und ziehen Tausende Kulturhungriger in ihren Bann. Die Studie «Kultur. Wirtschaft. Schweiz» (2003) von Christoph Weckerle und Michael Söndermann von der Hochschule für Gestaltung und Kunst Zürich spricht von 82’000 Beschäftigten in der Kulturwirtschaft der Schweiz. Trotzdem sind die «Traumjobs» nur dünn gesät.

Im vergangenen Jahrhundert führten die Direktoren und Intendanten bekannter Kulturinstitutionen «ihr Haus» indem sie sich auf ihre persönlichen betriebswirtschaftlichen und kaufmännischen Erfahrungen stützten. Sie agierten als Unternehmer im Dienste der Kultur und wuchsen – durch ihr Gespür für den Einsatz der richtigen Instrumente zum richtigen Zeitpunkt und den geschickten Umgang mit ihren Mitarbeitern und wichtigen Ansprechpartnern aus Politik und Wirtschaft – schrittweise in die Aufgaben des Kulturmanagements hinein. Damit schufen sie die Brücke zwischen Kunstform und Publikum. Keinem kam es dabei in den Sinn, sich als «Kulturmanager» zu bezeichnen. Es ist deshalb verständlich, dass bei Kulturvermittlern der ersten Generation manchmal etwas Skepsis aufkommt, wenn sie auf den neu entstandenen Begriff und die damit verbundenen Studienangebote angesprochen werden. Wer sich den Erfolg aus eigener Kraft und Erfahrung erarbeiten musste, ohne eine spezifische Ausbildung genossen zu haben, hat oft seine Zweifel an der Lehr- und Lernbarkeit eines Metiers.

In den letzten drei Jahrzehnten hat sich die Bildungslandschaft in Europa stark verändert. Neue Bereiche wie Marketing, Werbung und Public Relations fanden den Weg von den USA nach Europa. Die Nachfrage nach ausgebildeten Spezialisten entwickelte sich rasch, und entsprechende Diplome als Referenz und Beweismittel des angeeigneten Wissens gewannen sowohl auf Arbeitgeber- wie auch Arbeitnehmerseite an Gewicht. Das Bedürfnis nach neuen Angeboten der Ausbildungsinstitute deckte sich mit jenem der «Diplomjäger». Die vielfältigen Kulturmanagement-Basiskurse, deren Diplomabschluss den Zutritt zu den neuen Nachdiplomstudien auf Fachhochschul- und Universitätsstufe ebnen, schliessen eine Lücke im Bildungsangebot und bieten zweifellos auch wirtschaftliche Anreize für entsprechende Ausbildungsinstitute. Im Zentrum steht die Professionalität des Managements, auf die ein zeitgemässer Kulturbetrieb angewiesen ist. Zwar entscheidet letztlich nach wie vor die Qualität des Inhalts eines Kulturangebots über den Erfolg. Doch konsequentes marketing- und kommunikationsorientiertes Denken, Handeln und Auftreten sind ein wichtiger Bestandteil der Kulturvermittlung. Eine zentrale Rolle spielt dabei das Finanzmanagement. Die detaillierte Kenntnis der rechtlichen Aspekte von Betrieb und Finanzierung einer kulturellen Institution gehört heute genauso zum professionellen Rüstzeug eines Kulturmanagers wie das Fachwissen über einzelne Kulturbereiche und die historischen und philosophischen Grundlagen der Kulturvermittlung und der Kulturpolitik.

Das kulturelle Schaffen der Schweiz ist ausserordentlich vielfältig, und diese Vielfalt ist ein Wesensmerkmal unserer Identität. Dies gilt es bei der Vermittlung nach innen und nach aussen zu berücksichtigen. Botschafter Johannes Matyassy, Chef der Geschäftsleitung Präsenz Schweiz, hat kürzlich in einem Referat vor der Berner PR-Gesellschaft in Erinnerung gerufen, dass das Image der Schweiz nicht nur durch die Regierungsform, die Produktinnovation, durch Export und Tourismus geprägt werde, sondern auch durch das Kulturerbe und das aktuelle kulturelle Schaffen. Kulturmanagement erhält damit auch eine Funktion im Rahmen der Selbstdarstellung der Schweiz.

Kunst und Kultur sind ein Spiegel der Zeit und werden zunehmend als wesentlicher Bestandteil des Lebens aufgefasst. Erhebungen im Bereich der Kulturwirtschaft belegen auch mit Zahlen, dass das Bedürfnis nach Professionalisierung sowohl bei den grossen Kulturinstitutionen als auch bei den kleinsten Kulturbetrieben vorhanden ist. Umfragen bei den grossen Kulturin-

stitutionen bestätigen, dass bei Stellenbesetzungen diplomierte Kulturmanager bessere Chancen haben als Personen, die keine entsprechende Ausbildung vorweisen. Die Zukunftsaussichten der Kulturmanager sind daher positiv zu beurteilen.

Um dieser Entwicklung Rechnung zu tragen, wurde im Januar 2001 unter dem Kürzel chcm der Schweizerische Berufsverband der Kulturmanager gegründet. Im chcm sind Berufsleute und Spezialisten des Kulturmanagements aller Kulturbereiche vereinigt, die sich intensiv mit den Beziehungen zwischen Kultur, Wirtschaft und Politik beschäftigen. Die Hauptziele der noch jungen Standesorganisation umfassen die Information und den Gedankenaustausch zwischen den Mitgliedern und chcm-Dialoggruppen im In- und Ausland, die Förderung der Qualität im Kulturmanagement sowie Aufbau und Pflege des Netzwerks. Hierzu gehört auch das Anliegen der Qualitätssicherung in der Aus- und Weiterbildung in der Schweiz und das Engagement für die Einführung des geschützten und staatlich anerkannten Titels «Diplomierter Kulturmanager».

Durch seine Grundregeln fördert der chcm die berufliche und ethische Verlässlichkeit seiner Mitglieder und trägt damit zum Ansehen des Berufsstandes bei. Mit der Organisation regelmässiger Fachtagungen und Veranstaltungen zu aktuellen Themen, der Herausgabe von Publikationen und Forschungsprojekten im Kulturbereich, ferner der Kontaktpflege insbesondere zu Behörden, Vertretern aus Kultur, Bildung, Wirtschaft und Politik sowie zu anderen Verbänden, profiliert sich die Organisation zunehmend als Kommunikationsplattform für das Kulturmanagement und als Ansprechstelle für Interessenten aus dem In- und Ausland. Das momentan noch ehrenamtlich arbeitende Führungsteam sucht derzeit nach neuen Möglichkeiten, um dem wachsenden Arbeitspensum des anspruchsvollen Tätigkeitsprogramms weiterhin gerecht zu werden.

Zu einem wichtigen Bestandteil der internationalen Kulturmanager-Ausbildung auf Fachhochschul- und Universitätsebene zählen unter anderem die Praktika im Ausland. Hier gilt es für die angehenden Kulturmanager, sich in die bereichsübergreifende Kultur und die Sprache des jeweiligen Gastlandes einzuleben, Austauschprojekte und Vergleichsstudien zu erarbeiten und die Kultur als brückenbauendes und völkerverbindendes Element der Gesellschaft zu erfahren. Diesen Gedanken hat auch das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) unter der Leitung von Bundesrätin Micheline Calmy-Rey aufgegriffen. Gemeinsam mit Pro Helvetia und in Zusammenarbeit mit Präsenz Schweiz verfügt unser Land hier über wertvolle Instrumente zur internationalen Zusammenarbeit im Kulturbereich. Internationale Beziehungen ergeben sich zudem über die kürzlich gegründete Schweizer Koalition zur Erhaltung der kulturellen Vielfalt. Die Organisation kämpft gegen die Gefahren, die eine Liberalisierung des internationalen Handels für Kultur und Künste in der Schweiz und im Ausland ergeben könnte. Ihr gehören über siebzig schweizerische Kulturorganisationen und -institutionen aller Bereiche an, darunter auch der chcm. Die neue Vereinigung in der Schweiz ist eine von weltweit bereits über dreissig aktiven Interessengemeinschaften, die in der Internationalen Föderation der nationalen Koalitionen zusammengeschlossen sind. Sie setzen sich dafür ein, dass es den einzelnen Staaten weiterhin erlaubt sei, eine unabhängige Kulturpolitik zu betreiben, die das eigene Kulturschaffen wo immer nötig schützt.

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