Kostentransparenz stärkt das Vertrauen in die berufliche Vorsorge
Die Vermögensverwaltung in der zweiten Säule kostet jeden Versicherten pro Jahr durchschnittlich 1500 Franken. Diese Kosten systematisch zu erfassen und zu vergleichen, würde den Wettbewerb beleben.
Das erneute Scheitern der Reform der beruflichen Vorsorge in der Volksabstimmung vom September 2024 hat zwei Einsichten verfestigt: Zum einen zeigte das Abstimmungsresultat erneut, wie wenig Spielraum es gibt für Reformen in der Altersvorsorge. Zum anderen manifestierte es das Misstrauen der breiten Bevölkerung gegenüber der Komplexität der zweiten Säule und zunehmend auch gegen die versickernden Milliarden bei der Vermögensverwaltungsszene.
Beim BVG wurde die Korrektur des Umwandlungssatzes im obligatorischen Bereich schon zum dritten Mal abgeschmettert. Eine elfte AHV-Revision scheiterte nach 1995 mehrmals, bis es dann 2022 nach 27 Jahren gelang, das Frauenrentenalter behutsam an jenes der Männer anzupassen. Die Annahme der 13. AHV-Rente (ohne Finanzierungslösung!) war wohl nur in der Ausnahmesituation im Gefolge einer massiven Teuerungswelle möglich. Alle grundlegenden Systemverschiebungen in der Altersvorsorge sind jedoch gescheitert. Die massive Abfuhr bei drei von vier Stimmbürgern gegen eine Erhöhung des Rentenalters 2024 verdeutlichte erneut deren Aussichtslosigkeit für die Zukunft.
Auch zur zweiten Säule zirkulieren immer wieder radikale, zuweilen abstruse Vorstellungen. Da wurde gefordert, alle Pensionskassenvermögen zusammenzulegen und die Summe allenfalls auf die erste Säule zu verteilen. Dies käme einer gigantischen Enteignung Einzelner gleich. Oder es wird gefordert, den Versicherten die freie Wahl ihrer Pensionskasse, die mit anderen im Wettbewerb steht, zu ermöglichen. Das würde bedeuten, dass neunzig Prozent der Versicherten überfordert und wohl mit konkurrierenden Versprechungen über den Tisch gezogen würden. Beide Sozialpartner, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, würden dies nie akzeptieren. Es wäre die Abkehr vom Konzept der Sozialversicherung. Für die freie Kassenwahl ist jedoch die Säule 3a vorgesehen.
Nicht gewinnorientiert
Die zweite Säule ist eine Sozialversicherung. Die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerlohnbeiträge bedeuten institutionelles Zwangssparen. Von der Grundidee her soll die zweite Säule nicht gewinnorientiert funktionieren. Die Pensionskassen sind gewinnfreie Stiftungen.
Doch bei aller Absicht und Rhetorik für die Gewinnfreiheit der Pensionskassenstiftungen wurde 1985 bei der konkreten organisatorischen Ausgestaltung des ersten BVG die Vermögensverwaltung der Pensionskapitalien in gewissen Grenzen (BVV-2) dem privaten Sektor überlassen und seither in kleinen Einzelschritten weiter liberalisiert.
Mit dem Wachstum des Kapitalstocks der zweiten Säule etablierten sich immer mehr private Finanzmarktakteure wie Banken, Anlage- und Hedgefonds, Asset Manager und Berater im sicheren und lukrativen Vermögensverwaltungsgeschäft, dessen Komplexität den Grossteil der paritätisch zusammengesetzten Pensionskassenstiftungsräte überfordert. Unterhalb der nichtgewinnorientierten Pensionskassen hat sich also im Lauf der Jahrzehnte ein privates Vermögensverwaltungsbusiness etabliert.
Pensionskassen sind vielfältig und komplex. Ihr Ruf und das Vertrauen in sie sind erschüttert von Absahnern, die Asset-Management-Fees, Courtagen, Depot- und Transaktionsgebühren samt Stempel verlangen. Die BVG-Abstimmungen von 2010 und 2024 haben das Unbehagen gegen diese Sickerkosten im Volk noch gefestigt.
Das Abstimmungsdebakel der BVG-Revision von 2010 hatte dazu geführt, die Pensionskassenaufsicht mit der Gründung der Oberaufsichtskommission für das BVG (OAK-BV) des Bundes teilweise zu zentralisieren (vorher unterstanden die Kassen der Stiftungsaufsicht der Kantone oder des Bundes). Die OAK kümmerte sich erstmals vertieft um die (privaten) Kosten der Vermögensverwaltung und beauftragte die Consultingfirma c-alm 2011 und 2019 mit Studien dazu.
Massive Unterschiede
Was wir heute wissen: Die Vermögensverwaltungskosten der einzelnen Pensionskassen sind extrem unterschiedlich. Während grosse, professionell geführte Pensionskassen (wie etwa VSOA, Publica, BVK, PKG, PKE) weniger als 0,2 Prozent für die Vermögensverwaltung durchzusetzen vermögen, hat eine Mehrheit der 1300 Kassen eine Kostenlast für die Vermögensverwaltung von 0,6, 0,8 oder gar 1 Prozent.
De facto herrscht weder Transparenz noch Wettbewerb unter den Vermögensverwaltungen. 2022 hat die (externe) Vermögensverwaltung bei der zweiten Säule im Durchschnitt 0,56 Prozent der Anlagesummen gekostet, was insgesamt 6,9 Milliarden Franken ausmachte. Hinzu kamen die (internen) Verwaltungskosten der Pensionskassen von insgesamt rund 1000 Millionen Franken. Zudem müssen gemäss c-alm weitere 700 Millionen Franken Kostenprämien bei jenen Kassen hinzugerechnet werden, die bei den grossen Lebensversicherungen Rückendeckung beanspruchten.
Insgesamt beliefen sich 2022 also die Kosten für Vermögensverwaltung und Verwaltung aller Pensionskassen nach OAK-Methodik auf 8,6 Milliarden Franken. Dies entspricht durchschnittlich rund 1500 Franken Sickerkosten pro Jahr und Versicherten (Aktive und Rentner). Dies ist für institutionelle Anlagen eindeutig zu viel! (Dass höhere Kosten auch höhere Kapitalerträge generieren sollen, ist eine alte Börsen-Mär. Es besteht beim Pensionskassenvergleich keine Korrelation zwischen Kosten und Ertrag.)
In dieser Rechnung sind die Gewinne der Vorsorgestiftungen der grossen Privatversicherungen, die der Finma unterstehen (wie etwa Swiss Life, Axa, Allianz, Helvetia), nicht dabei. Diese können mit der sogenannten «Legal Quote» von 10 Prozent der jährlichen Einnahmen einen festen Gewinnanteil beanspruchen, neben möglichen Vermögensdepotkosten.
Zwar müssen die Pensionskassen in ihren Geschäftsberichten die Vermögensverwaltungskosten im Kleingedruckten im Anhang aufführen. Aber es gibt keinen Vergleich und keine amtliche Transparenz, zumal die Kassen nicht verpflichtet sind, ihren Geschäftsbericht zu veröffentlichen. Das Bundesamt für Statistik publiziert nur eine aggregierte Zahl, die der oben erwähnten Ziffer entspricht.
Einheitliche Vergleichsgrösse
Mein Vorschlag, den ich vor über 15 Jahren in der Preisüberwachung entwickelt habe und seither propagiere: Das Bundesamt für Statistik erhebt und publiziert im Rahmen der jährlichen Pensionskassenstatistik eine vergleichbare Kennziffer für das Total von Verwaltungskosten und allen Vermögensverwaltungskosten einzeln, und zwar für jede Kasse. Diese Vergleichsziffer für jede einzelne Pensionskasse kann zum Beispiel definiert sein
– in Franken pro Jahr und Versicherten (aktive Versicherte und Rentenbezüger)
oder
– in Prozent der gesamten Kapitalsumme der Kasse.
Ich fordere nicht eine Deckelung der Verwaltungsprämien, dazu sind die Kassen zu verschieden. Was es braucht, ist eine Kostentransparenz mit einer einheitlichen Vergleichsziffer jeder Kasse auf gleicher Basis. Dies würde in der Anlageszene den Wettbewerb verstärken und mit öffentlichem Druck die PK-Stiftungsräte zu mehr Kostenbewusstsein veranlassen. Und durch Kostensenkung natürlich mehr Vertrauen schaffen.
Mir schwebt eine ähnliche Vergleichsziffer vor, wie wir sie bei den Krankenkassenprämien und im Bereich der obligatorischen Krankenversicherung kennen. Diese zwingt die Kassen und die Versicherten zur Kostenoptimierung, die häufigen Kassenwechsel belegen es.
«Mir schwebt eine ähnliche Vergleichsziffer vor, wie wir sie bei den
Krankenkassenprämien und im Bereich der
obligatorischen Krankenversicherung kennen.»
Das ist kein revolutionärer Vorschlag, aber eine Reform, die mehr Transparenz und mehr Vertrauen schafft. Die Zeit ist jetzt reif dafür.