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Kopfmensch mit Punch
Peter Luginbühl, zvg.

Kopfmensch mit Punch

Peter Luginbühl ist einer der wenigen Schachboxer in der Schweiz. Der Kampf im Ring und später am Brett ist für ihn die perfekte Verschmelzung von Körper und Geist.

Der Traum von Peter Luginbühl ist es, die fast unbekannte Sportart des Schachboxens auch in der Schweiz populär zu machen. Schachboxen verbindet den physischen Kraftakt des Boxens mit den geistigen Herausforderungen des Schachs: Nach einer Runde Boxen wird eine Runde Schach gespielt; ein Schachboxer muss also imstande sein, nahtlos zwischen strategischen Zügen auf dem Schachbrett und kraftvollen Schlägen im Ring zu wechseln: Zug um Zug, Schlag und Schlag.

Seit 2019 leitet Luginbühl den Bereich Schachboxen im Berner Club Boxen und Bildung. Dort trifft er einmal im Monat auf eine buntgemischte Gruppe von Schachbox-Aficionados zum geistigen und körperlichen Schlagabtausch. Die Trainings sind offen, jeder ist willkommen, ausdrücklich auch Frauen. «Ziel ist Spass, Verausgabung und positiver Stress. Es geht nicht darum, jemanden auszuknocken», sagt Pesche, wie ihn hier alle nennen.

Totale mentale Entspannung danach

Auf eine zweiminütige Runde Boxen folgt eine Partie Blitzschach, wobei jeder Spieler gerade einmal drei Minuten Bedenkzeit hat – nicht pro Zug, sondern für die ganze Partie. Insgesamt stehen drei Runden Boxen und drei Partien Schach auf dem Programm, was das Training effizient macht. «Diese Stresssituation bedingt totalen Fokus, da hast du keinen Platz für andere Gedanken. Als Belohnung winkt die totale mentale Entspannung nach dem Training. Fast besser als Ferien», sagt Pesche.

Bei aller Gegensätzlichkeit gibt es auch Gemeinsamkeiten: «Boxen ist wie Schach. Und Schach ist wie Boxen. Beides ist Kopfsache», bringt es Pesche auf den Punkt. «In beiden Sportarten muss man variabel sein, in Bewegung bleiben, kein gutes Ziel abgeben.» Im Ring wie am Brett versucht er deshalb die Mitte zu besetzen, um den Gegner auf Distanz zu halten. Auch beruflich ist Pesche eher kopflastig unterwegs. Er arbeitet als Controller mit Fachausweis bei Stahl Gerlafingen. Neben Gitarren, auf denen er vor allem Rock- und Bluesmusik spielt, nennt Pesche auch eine Sammlung mit Totenkopfmotiven aller Art sein Eigen. Kopfmensch Pesche trägt auch gerne voluminöse Totenkopfringe.

Es wird oft unterschätzt, aber das Gehirn verrichtet auch beim Boxen Schwerstarbeit ‒ Pesche nennt das «Ringintelligenz». Darunter versteht man die Fähigkeit, den Gegner zu lesen, zu antizipieren, in Bewegung zu bleiben, blitzschnell zu reagieren sowie, ganz wichtig, seine Kräfte einzuteilen. Hinzu kommen Schlagtechnik, Fussarbeit und natürlich der störende Gegner, der die eigenen Pläne durchkreuzen will – eine ganze Menge auf einmal.

Zum Boxen ist Pesche erst spät über das Karate (brauner Gürtel) und Kickboxen gekommen. Das Schachspiel hat er von seinem Vater gelernt, seither ist die Jagd nach dem gegnerischen König fester Bestandteil seines Lebens. Die Spezialdisziplin Blitzschach hat er jedoch neu erlernen müssen. «Das ist eine andere Sportart. Wir sind quasi die 100-Meter-Sprinter unter den Schachspielern», sagt der Vater eines 15-jährigen Sohnes.

Ursprung als Kunstform

International ist Schachboxen in Berlin relativ stark. Dort ist es auch entstanden; der niederländische Aktionskünstler Iepe Rubingh gilt als Erfinder der Sportart. Ursprünglich als Kunstperformance gedacht, hat sich Schachboxen rasch als unterhaltender Wettkampfsport für das Publikum etabliert. So gibt es in Berlin regelmässige Events, teils mit lizenzierten Boxern und der Vergabe von ELO-Punkten – das ist die harte Währung der arrivierten Schachspieler. Pesche träumt davon, die kleine Berner Szene «Punch für Punch» in diese Richtung zu entwickeln.

Zu diesem Zweck hat er letztes Jahr auch den Verein Swiss Chessboxing Organization gegründet, was die einzigartige Kombisportart noch bekannter machen soll. Zum Breitensport wird Schachboxen aber wohl kaum. «Schach und Boxen sind beides Nischensportarten. Die Schnittmenge davon ist nochmals kleiner», sagt der 47-Jährige.

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