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Kopfloses Bargeld

Warum Jacob Burkhardts Vermächtnis auch in einer hypersensiblen Öffentlichkeit überlebt.

Mit der neuen 100-Franken-Note hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) unlängst die Einführung ihrer neunten Banknotenserie abgeschlossen. Zum ersten Mal seit langem sind darauf keine Persönlichkeiten mehr abgebildet. Es ist anzunehmen, dass es der SNB zu mühsam war, einer hypersensiblen Öffentlichkeit erklären zu müssen, welche feinziselierten Gleichheitsüberlegungen hinter dem Entscheid für diese und gegen jene Köpfe gesprochen hätten. Man kann sich lebhaft vorstellen, wie das dreiköpfige SNB-Direktorium aus dem Panini-Album aller verdienten Schweizer Persönlichkeiten verzweifelt ein nach Sprache und Geschlecht, Region und Religion, Abstammung und Ausbildung, sexueller Orientierung sowie gesundheitlichem, sozialem und politischem Hintergrund ausgewogenes Sextett zusammenzustellen versuchte, schliesslich entnervt die Hände verwarf – und sich stattdessen für genau diese Hände als neues Leitmotiv entschied.

Damit fiel – als weisser Akademiker aus Basel – auch mein Vertreter von der Notenpresse, nämlich Jacob Burckhardt von der 1000er-Note. Bei der Stückelung der Frankennoten blieb aber alles gleich: Die SNB widerstand namentlich dem politischen Druck aus dem In- und Ausland, die stark genutzte 1000er-Note zugunsten von (noch) mehr elektronischem Geld und damit (noch) mehr staatlichen Überwachungsmöglichkeiten abzuschaffen. Bargeld ist aus liberaler Sicht letztlich Staatlichkeit «at its best»: Seine Verwendung zeugt vom Vertrauen in die staatlichen Behörden (man glaubt dem Stück Papier seinen Wert). Man verwendet es aber eben, ohne dass der staatliche Emittent davon weiss.

«Und nun ist die Macht an sich böse, gleichviel wer sie ausübe», lautet ein bekannter Satz von Kunsthistoriker Burckhardt. Dass dieser Machtskeptiker bis vor kurzem die höchstdenominierte Banknote der westlichen Welt zierte, war wohl keine bewusste Pointe der SNB. Sein Vermächtnis hat sein Bildnis aber – zumindest in bezug auf das Bargeld – glücklicherweise überlebt.

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