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Kopflose Leichen

Eine der beliebtesten Figuren im zeitgenössischen Kriminalroman ist jener Typ des Serienmörders, der nicht nur über eine individuelle Methode verfügt, seine Opfer vom Leben zum Tode zu bringen, sondern darüber hinaus kryptische Botschaften hinterlässt, die dem ermittelnden Kriminalisten etwas zu knobeln geben. War ein Sherlock Holmes noch darauf angewiesen, aus den unbeabsichtigten Spuren des Verbrechers […]

Eine der beliebtesten Figuren im zeitgenössischen Kriminalroman ist jener Typ des Serienmörders, der nicht nur über eine individuelle Methode verfügt, seine Opfer vom Leben zum Tode zu bringen, sondern darüber hinaus kryptische Botschaften hinterlässt, die dem ermittelnden Kriminalisten etwas zu knobeln geben. War ein Sherlock Holmes noch darauf angewiesen, aus den unbeabsichtigten Spuren des Verbrechers Schlüsse zu ziehen, haben seine modernen Nachfolger nicht selten das Vergnügen, einem Täter mit Sendungsbewusstsein das Handwerk legen zu müssen.

So geht es auch Hauptmann Fred Staub von der Zürcher Kantonspolizei, dem drei kopflose Leichen und seltsame Graffiti-Botschaften zunehmend schlechte Laune bereiten. «Wäre ich doch Aktienspekulant geworden oder Stuntman!», seufzt der sympathische Kriminalist schon, bevor die Ermittlungen so richtig begonnen haben. Aber dann geht es zügig an die Arbeit, und nach knapp über 200 Seiten ist der Fall gelöst, wenn auch nicht zu Staubs vollkommener Zufriedenheit. Letzten Endes sind die orangefarbenen Wandbeschriftungen, die immer in der Nähe des jeweiligen Tatorts auftauchen, doch nicht so schwer zu enträtseln. Schon gar nicht für den aufmerksamen Leser, der gegenüber Hauptmann Staub den Vorteil geniesst, in kursiv gesetzten Zwischenkapiteln mit den Gedanken des Täters konfrontiert zu werden. Der übrigens, und auch dies ist mittlerweile genretypisch, kein wirklicher Bösewicht ist. Schurkenqualität haben eher seine Opfer.

«Staub im Wasser», der zweite Kriminalroman des Journalisten Ernst Solèr, ist eine durchaus vergnügliche Lektüre. Der gelegentlich etwas unwirsche Staub darf selbst erzählen, und zwar im Präsens, was der Geschichte einen angenehmen Beschleunigungseffekt verpasst. Allerdings hat ihm sein Schöpfer eine Abneigung gegen die wiederholte Verwendung des simplen Verbs «sagen» mitgegeben, so dass sich manche Dialoge wie Lehrbeispiele für einen abwechslungsreichen Stil lesen. Staubs temperamentvolle Kollegin Bea «kläfft», «tobt», und «höhnt», die Sekretärin eines zwielichtigen Finanzakrobaten «sülzt», während der Ermittler selbst gerne etwas «klarstellt». Nur einer «grummelt», und das ist der Mörder.

besprochen von Joachim Feldmann, Recklinghausen

Ernst Solèr: «Staub im Wasser». Dortmund: Grafit, 2007.

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